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Bauen für die Zukunft

© Blitzkneisser
Architekt Alexander Meissl hat sich mit seinem Team auf Hotels spezialisiert und setzt dabei auf hochwertiges Design mit Nachhaltigkeitsanspruch.
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Die Hotelarchitektur steht auf dem Prüfstand. So sind es auch die Architekten, die sich darüber Gedanken machen müssen, in der neu erwachten Hotelszene ihren Teil der Verantwortung zu übernehmen. Architekt Alexander Meissl hat spannende Antworten darauf.

von: Barbara Jahn

Hotels zu bauen war lange Zeit das tägliche Brot des von Alexander Meissls Vater Ernst mit dem beginnenden Wirtschaftswunder der 1950er-Jahre gegründeten Tiroler ­Architekturbüros. Die Branche entwickelte sich jedoch immer mehr in Richtung imageverstärkender Lederhosenarchitektur und liebloser Bettenburgen. Nach dem Tod des Vaters distanzierte sich der Junior von der Hotelarchitektur – bis er durch Design­hotels wie jene von Ian Schrager oder ­Philippe Starck wieder Lust darauf bekam, selbst welche zu entwerfen.  

Nach den schwierigen letzten beiden Jahren werden wieder mehr Hotels eröffnet. Was machen die nun konzeptuell anders? Oder machen sie überhaupt
etwas anders?

Meissl: Aktuelle Eröffnungen machen nichts anderes als vor der Pandemie, denn der Startschuss der Projekte wurde bereits vor Jahren gegeben. Die unangenehmen Konsequenzen der letzten beiden Jahre sind bald vergessen, es kehrt wieder der frühere Alltag mit mehr Umweltbewusstsein und den daraus resultierenden Konsequenzen zurück.

Können Sie als Architekt einen Trend in der Hotellerie beeinflussen oder gar einleiten?
Modische Trends finde ich – sofern kein Megatrend – eher gefährlich, da diese eine kurze Halbwertszeit haben. Wir Architektinnen und Architekten sollten darauf achten, dass unsere Projekte möglichst lange Bestand haben sowie einfach zu pflegen und zu warten sind. Früher wurde alle zehn bis fünfzehn Jahre das komplette Interieur
getauscht und so unnötigerweise Müll­deponien gefüllt.

Welche Art von Hotels wird es in Zukunft vermehrt geben, welche nicht mehr? Kann man das abschätzen? Mehr Wellnesshotels, weniger Frühstückspensionen? Oder kommt das Kleine, Individuelle, Überschaubare wieder zurück?
Der Mix macht es aus, denn die Menschen möchten individuell bleiben. Qualität steht langfristig im Vordergrund und nicht ein gerade neu erdachtes Konzept.

Wie ist Ihr persönlicher Zugang zur Hotelplanung? Was sind die absoluten Dos and Don’ts für Hotels, die in den nächsten Jahrzehnten gebaut werden?
Wenn ich das wüsste, wäre ich wahrscheinlich jemand ganz Besonderes. Aber Spaß beiseite. Mein Motto lautet: „Baue modern, aber nicht modisch!“ Hotels, die das Zeug dazu haben, ein Klassiker zu werden, überleben jene, die für einen kurzfristigen Wow-Effekt sorgen.

Wie viel Nachhaltigkeit können Sie als Architekt in neue Hotels einbringen? Welche Gedanken leiten Sie dabei?
Wenige Wörter sind so inflationär wie die Nachhaltigkeit. Ich habe eine einfache Eselsbrücke: „Baue so, dass es in 30 Jahren noch Bestand hat und in dieser Zeit wenig Instandhaltungs- und Energiekosten verursacht.“ Dazu gehört für mich die Verwendung von Recyceltem und – vor dem Hintergrund der anstehenden Materialwende – auch das Sparen von Baumaterial.

Viele Hotels haben in den letzten beiden Jahren gezeigt, dass sie – auch wenn sie dafür gar nicht konzipiert waren – als temporäre Arbeitshubs oder Lebensräume auf Zeit gut geeignet sind. Glauben Sie, ist das ein Nutzungsmodell für die Zukunft, weit über das City-Hopping hinaus?
Work-Life-Blending findet bereits heute statt – dazu braucht es keine Arbeitshubs, sondern ein gutes WLAN und einen bequemen, ruhigen Platz zum Sitzen. City-Hopping ist nicht nachhaltig – und was nicht dem Megatrend „Nachhaltigkeit“ entspricht, wird langfristig verschwinden.

Wird sich der Tourismus Ihrer Meinung nach verändern? Wo, wie und für wie lange möchten die Gäste zukünftig wohnen? Welche Weichen sind dafür zu stellen?
Das Anreisen mit dem Flugzeug wird kostspieliger, und die Anreise per Bahn wird zunehmen – das verlängert die Anreise­dauer. Deshalb gehe ich davon aus, dass weniger Urlaube pro Jahr gemacht werden. Dafür werden es aber mehr Aufenthaltstage pro Urlaub sein. Auch die Pauschalreise mit der Bahn wird so wiederbelebt. Durch die längere Aufenthaltsdauer verändern sich auch die Gastanforderungen: Urlaub aus dem Koffer aufgrund von zu kleinen Schränken und nur ein bis zwei Kleiderbügeln im Zimmer – das wird der Vergangenheit angehören.

In den letzten Jahren haben sich auch die Gäste stark verändert: in ihren Ansprüchen, Vorlieben, beim Buchungsverhalten. Lassen Sie sich davon beeindrucken und spielen mit? Oder kann man Gäste mit Architektur und Interieur vielleicht sogar „erziehen“, zu mehr Bewusstsein motivieren, Anreize schaffen, länger zu bleiben und damit nachhaltiger zu urlauben?
Die Aufenthaltsqualität für längeren Urlaub wird wichtiger als in den letzten 30 Jahren sein. Der Stammgast kehrt zurück – das gelingt nur in jenen Hotels, deren „Hardware“ das auch hergibt. Die „Software“ muss wieder persönlicher werden. Ein freundliches Check-in bedeutet, nicht nur die Reisepässe zu scannen, sondern dem Gast ein Gefühl des Willkommen-Seins zu vermitteln. 

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