Skelettbau war schon immer seine Domäne: Santiago Calatrava taucht immer wieder ein in die Welt des Körperbaus, um daraus elegante und vor allem logische Baukörper abzuleiten. Auf der ganzen Welt befinden sich seine architektonischen Ikonen, die heute wie damals faszinieren – durch Leichtigkeit, manchmal sogar Beweglichkeit und vor allem durch Einzigartigkeit. Er selbst macht sich die physischen Prinzipien zunutze.
Architekt aus Leidenschaft
1951 in Valencia geboren, studierte der junge Spanier, der eigentlich Künstler werden wollte, zunächst Architektur und dann Bauingenieurwesen. Der Kauf eines Buches über Le Corbusier, das er zufällig in einem kleinen Laden entdeckte, war der ausschlaggebende Moment für seine Entscheidung, die sich als goldrichtig erweisen sollte. „Ich sah Bilder von den Treppenhäusern in der Unité d'Habitation, und ich dachte bei mir, was für ein außerordentliches Formgefühl!“, sagt er rückblickend. Heute füllt er selbst gedruckte Werke, die wiederum die nachkommenden Generationen in ihren Bann ziehen. Das jüngste ist die über 600 Seiten starke Edition „Calatrava. Complete Works 1979 – Today“, soeben erschienen im Taschen Verlag. Philip Jodidio nimmt den Blätternden mit auf eine faszinierende Reise durch 40 Jahre Entstehungsgeschichte futuristischer, organischer, komplexer wie raffinierter Gebäude, die sich immer wieder dem Gesetz der Schwerkraft widersetzen zu scheinen und staunen lassen. Der Überraschungseffekt ist bei Calatrava immer garantiert.
Inspiration Natur
Doch nicht nur fertige Projekte wie Frühwerke, etwa das Vertriebszentrum von Ernsting's Family oder die Bahnstation in Stadelhofen, bis hin zum Bahnhof Lyon Saint-Exupéry TGV oder den World Trade Center Transportation Hub in New York, begleitet von kunstvollen Zeichnungen, die an Raffael, Leonardo und Rodin erinnern, sind in diesem Buch zu bewundern, sondern es gibt auch einen Vorgeschmack auf Projekte, die sich gerade im Bau befinden, wie den Dubai Creek Tower, der bis 2024 fertiggestellt werden soll. In Auftrag gegeben hat das künftig höchste Gebäude der Welt Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum, der dem Dubai Creek Harbour damit ein neues Wahrzeichen bescheren will. Calatravas monumentaler Entwurf, der aus sechs Vorschlägen konkurrierender Büros ausgewählt wurde, ist von den natürlichen Formen der Lilie beeinflusst und erinnert an die Form eines Minaretts, ein charakteristisches architektonisches Merkmal in der islamischen Kultur. „Das Design des Gebäudes ist von der islamischen Tradition inspiriert und erinnert an die gleiche Geschichte, die der Welt die Alhambra und die Moschee von Cordoba bescherte. Diese architektonischen Wunderwerke verbinden Eleganz und Schönheit mit Mathematik und Geometrie“, sagt Santiago Calatrava. „Das Design des Turms von Dubai Creek Harbour ist in der klassischen Kunst und der Kultur von Dubai selbst verwurzelt. Er ist auch eine große technologische Leistung. Während meiner gesamten Karriere habe ich Technologie und Ingenieurwesen als Mittel für Schönheit und Kunst eingesetzt. Dieses Projekt ist eine künstlerische Leistung, inspiriert von dem Ziel, diesen Ort zu einem Treffpunkt für die Bürger zu machen, nicht nur aus Dubai und den VAE, sondern aus der ganzen Welt. Es ist ein Symbol für den Glauben an den Fortschritt.“