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Keine befremdliche Architektur

Alle Fotis: © bause tom - photography
In Materialität und Formensprache nimmt der Neubau Bezug auf die Satteldächer der Umgebung, ohne sich jedoch anzubiedern.
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Musikpavillon Finkenberg (Tirol) / ATP architekten ingenieure

Fast wie ein klassischer Musikpavillon, also ein sich nach vorne trapezförmig öffnender Raum, richtet sich der neue Musikpavillon mit Probelokal in der Gemeinde Finkenberg im Zillertal zum Kircheneingang, zum alten Friedhof und zum Dorf. Keinerlei sonstige Bauwerke auf diesem Platz verstellen den Blick auf die Dachlandschaft des Dorfes und die umgebenden Berge. Eine teilweise neue Treppe von der Landesstraße herauf, hinter der Friedhofsmauer, verbindet einerseits das Dorf mit dem neuen Platz und der Kirche, andererseits wurde hier ein Zugang für das Probelokal und die Belichtung für dieses geschaffen. Diese Treppe bindet auch den alten Friedhof organisch mit ein und wird so zu einem wichtigen, charaktervollen Element im dörflichen Wegenetz.
Geplant wurde dieser Pavillon von ATP architekten ingenieure aus Innsbruck. Das neue Gebäudeensemble ersetzt den alten Musikpavillon samt Probelokal, die mittlerweile veraltet waren und nicht mehr den gegenwärtigen Ansprüchen entsprachen. ATP hatten den von der Gemeinde ausgelobten geladenen baukünstlerischen Wettbewerb im November 2018 unter neun Architekturbüros gewonnen, weil versucht wurde, in Materialität und Formensprache Bezug auf die Satteldächer der Umgebung zu nehmen, ohne sich jedoch anzubiedern und – wie es die Jury formulierte – das Projekt „keine neuen befremd­lichen Architekturen im Dorfbild“ bot. ATP architekten spannten den Bogen von lokaler Bautradition zur Moderne. Man setzte auf die traditionelle, regional verankerte Holzbauweise.

Das Untergeschoß bildet einen massiven Sockel, der zu großen Teilen im Hang verschwindet. Auf dem Sockel befindet sich ein großer, ebener Festplatz mit der hölzernen, gefalteten Form des Pavillons. Der Steinsockel wird straßenseitig zur Außenwand, darauf verklammern sich der hölzerne Aufbau und seine gefalteten Dächer. Als Knotenpunkt zwischen Musikpavillon, Dorfstraße und Friedhofsgelände ist hier ein neuer attraktiver Platz entstanden. Die neu gestaltete offene Treppenanlage mit Sitzstufen bildet ein charakteristisches Element im dörflichen Wegenetz.
Der Eingang im Süden ist ebenerdig und im Sockelbereich verglast, dadurch entsteht ein heller Empfangsbereich. Im nördlichen Teil gelangt man innen über Treppen sowie einen Lift in das Erdgeschoß, von wo aus die Musiker die Bühne betreten können. Vor der Bühne liegt der Festplatz mit Sitzgelegenheiten für die Zuschauer. Damit auch bei schlechteren Wetterverhältnissen Konzerte stattfinden können, wurde eine flexible, regensichere Überdachung des Platzes realisiert. Mit zwei rautenförmigen, mechanisch ausfahrbaren Segeln kann ein Großteil des Platzes überdacht werden, ohne dass Schirmständer die Sicht auf die Bühne verstellen. Das Probelokal für bis zu 50 Musiker besteht aus einem großen Hauptproberaum, einem kleineren Zusatzprobe- und Musik­unterrichtsraum sowie zwei Aufenthalts­räumen mit Garderobe, Küche und Bar. 

Projekt
Musikpavillon Finkenberg, 6292 Finkenberg

Bauherr
Gemeinde Finkenberg (Tirol), Dorf 140

Architektur/Landschafts­planung/Tragwerksplanung
ATP architekten ingenieure, Innsbruck

Projektdaten
Grundstücksfläche: 738 m²
Bebaute Fläche: 548 m²
Nutzfläche: 586 m²
Bruttogeschoßfläche: 792 m²

Projektablauf
Wettbewerb 11/2018
Planungsbeginn 09/2019
Baubeginn 02/2021
Fertigstellung 06/2022

Materialien
Außenwände: Massivholz,
UG Stahlbeton
Innenwände: Massivholz
Fassade: Holzschalung Fichte mit Vergrauungslasur (Adler Silverwood), Lärchenschalung natur
Dämmung: Steinwolle
Bodenbeläge innen: Eichendielen, Feinsteinzeug, Epoxy
außen: Lärchendielen
Fenster/Türen: Holz-Alu
Beleuchtungskörper: LED

Wettbewerbsdokumentation: ARCHITEKTURJOURNAL / WETTBEWERBE 1/2019 (342)  

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