368 Wettbewerbe realisiert
© paul ott photografiert
Das vom Klagenfurter Architekten Gustav Gugitz geplante Rudolfinum Klagenfurt wurde 1883 vorwiegend im Stil der Neorenaissance errichtet.
© paul ott photografiert

So einfach und unaufgeregt

Kärnten.Museum, Klagenfurt // Winkler + Ruck/Čertov Architekten

von: Roland Kanfer

„Wir nehmen das Haus an den Schultern und rütteln, bis alles abfällt, was nicht niet- und nagelfest ist. Übrig bleibt ein Juwel, dem wir nichts hinzuzufügen haben.“ Nicht nur die Architekten des renovierten Rudolfinums in Klagenfurt ergehen sich in Poesie, wenn sie über ihre Arbeit sprechen, auch die Juroren des Realisierungswettbewerbs, unter ihnen die Architektenkollegen Andreas Cukrowicz, Markus Klaura sowie Eva Rubin vom Kärntner Fachbeirat für Baukultur, hoben 2016 zu Lobeshymnen über das Siegerprojekt von Klaudia Ruck, Roland Winkler und Ferdinand Čertov an: „So einfach und unaufgeregt kann es sein. Ehrung und Wertschätzung des Alten, zurückhaltendes Ergänzen und Begrüßen des Neuen.“

Das „Alte“ stammt aus dem Jahr 1883 und wurde vom Klagenfurter Architekten Gustav Gugitz vorwiegend im Stil der Neorenaissance geplant. Den Namen erhielt das Museum dank der feierlichen Schlusssteinlegung durch Kronprinz Rudolf. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude durch Bombentreffer stark beschädigt und erhielt in weiterer Folge zahlreiche ergänzende Einbauten vor allem im Bereich der beiden Innenhöfe.

Zeitgemäße Definition

Im September 2015 beschloss die Kärntner Landesregierung die Durchführung eines Architekturwettbewerbs, um das Rudolfinum nicht nur generalzusanieren, sondern dem Haus auch eine zeitgemäße Definition zu verleihen. Čertov, Winkler + Ruck gewannen den offenen Wettbewerb gegen 25 Mitbewerber mit einer Vision, die das Glacis für die Umgebungsgestaltung als durchgehende inselartige und autofreie Parkfläche definierte. Die Außenanlagen des Landesmuseums Kärntens sind Teil des Masterplans Glacis Klagenfurt, der sich vom Völkermarkter Ring im Osten des Konzerthauses bis an die Gebäudekante der Kelag am Arnulfplatz erstreckt.

Der Entwurf führt das Gebäude auf seine ursprüngliche klare Grundstruktur zurück, entfernt störende nachträgliche Einbauten und erreicht sämtliche zur funktionalen Ertüchtigung erforderliche Maßnahmen durch minimale homöopathische Eingriffe. Das Museum mit seinen vier markanten Baukörpern steht auf der Glacisfläche als homogen gestaltete Fläche und umgibt sie mit dem bestehenden Baumfilter. Die Ausbildung dieser Parkanlage als teppichartige Struktur und Basis stärkt die Bedeutung der vier Solitärbauten.

Das Foyer öffnet sich nach Nord und Süd und wird zur großen Säulenhalle mit freier Sicht durch das gesamte Gebäude bis zu den Fenstern in den Fassaden. Der mit einem Mosaik belegte Raum im zweiten Obergeschoß wurde bis zum Boden rückgebaut. Dadurch verlieren die Höfe an Enge, die durch diesen nachträglichen Einbau entstanden war.

Die beiden Hofräume wurden entrümpelt und auf das Niveau der Aula abgesenkt, die erdgeschoßige Aula und der semipermanente Ausstellungsraum im zweiten Obergeschoß beidseitig zu den Höfen geöffnet. Im Bereich des Eingangs wölbt sich der Platz unmerklich nach oben, bis er bündig an das Niveau des Erdgeschoßes anschließt. So entfallen Rampen im Inneren des Gebäudes. Eine nord-süd-gelegte Falte dazwischen trennt als lange Treppe ausgebildet die Bereiche des Museums von denen der Landwirtschaftskammer. So sind zwei Platzniveaus entstanden. Der Veranstaltungssaal dient als Brücke zwischen den beiden Längsflügeln und ist von Lufträumen umgeben.

Ein leichtes Glasdach übernimmt die inneren Dachformen und führt sie in eine gekreuzte Giebelkonstruktion fort, die die gesamte Mittelzone überspannt und für Belichtung der Kernzone sorgt. Vor der Aula gruppieren sich die Empfangsfunktionen mit Kassa, Shop, Café und Garderobe, zu denen man über das Hauptportal gelangt. Richtung Hauptstiege durchquert man das transparent nach beiden Seiten öffen- und schließbare Foyer. Angrenzend gelangt man in die Bibliothek, die mittels Hubplattform barrierefrei erreichbar ist. Im Nordosten wurde eine neue Sanitärzone angelegt. Der nördliche Hof lässt sich vom Foyer mittels Glasportalen abschließen, wodurch ein vollständig unabhängiges Betreiben von Museum, Bibliothek, Vereinen und Café möglich ist.

Freigelegt

Denkmalpflegerisch wurde das Hauptaugenmerk auf jene Bereiche gelenkt, wo noch originale Oberflächen vorhanden waren. Die säulenflankierte Eingangsaula wurde von späteren Überfassungen befreit und die vorhandene bauzeitliche Dekorationsmalerei freigelegt. Eine wesentliche Herausforderung stellte für die Architekten die Situierung des Haupteingangs in einer Seitenstraße dar. Da es nicht möglich war, diesen zu verlegen, wurden die Seitenstraßen eliminiert und rund um das ganze Museum zum verkehrsbefreiten und barrierefreien Platz formuliert.

Projekt
Kärnten.Museum
Museumgasse 2,
9020 Klagenfurt

Bauherr
Amt der Kärntner Landesregierung
Abteilung 2 (Finanzen, Beteiligungen und Immobilienmanagement) – Landesimmobilienmanagement (LIM),
Klagenfurt

Architektur
Winkler + Ruck / Čertov Architekten,
Klagenfurt/Graz/Wien
winkler-ruck.com

Landschaftsplanung
WLA Winkler Landschaftsarchitektur,
Seeboden
wla.co.at

Tragwerksplanung
Mitterdorfer ZT GmbH,
Klagenfurt
mitterdorfer.co

Fotos
Winkler + Ruck, Paul Ott (1)

Projektdaten
Grundstücksfläche: 3300 m2
Bebaute Fläche: 1660 m2
Nutzfläche: 5570 m2
Bruttogeschoßfläche: 4800 m2

Projektablauf
Wettbewerb 03/2016
Planungsbeginn 06/2016
Baubeginn 03/2020
Fertigstellung 11/2022

Materialien
Baumaterial Außenwände: Bestandsmauerwerk
Innenwände: Bestand;
Neubau: Sichtbeton, Holz-Glas-Trennwände
Fassade: Bestand
Wärmedämmung: denkmalgeschützter Bestand ohne Dämmung
Fenster/Türen: Kastenfenster Bestand;
Innentüren: Rohrrahmenelement, Holz-Glas
Bodenbeläge innen: Sichtbeton, Terrazzo (Bestand), Parkett (Bestand)
Bodenbeläge außen: Betonsteinplatten, Stabilizer
Beleuchtungskörper: Supersystem (Zumtobel)
Möblierungen: Innenstühle Fa. Hussl
Aufzug: Lasten-/ Panoramaaufzug Flügel und Klement
Küche: Großküchen Rom & Hermetter

Lesen Sie den ungekürzten Artikel ab Seite 36 der aktuellen Ausgabe 368-3/2023 oder am KioskAustria!