Wenn schon selbst die Europäische Kommission darauf hinweist, haben wir in Europa wirklich ein Problem: Insgesamt fühlen sich 30 Millionen Menschen auf unserem Kontinent einsam! – auch und gerade, weil sie in einer falschen Wohnung leben. Einsam sind besonders Ältere und chronisch Kranke. An dieser Einsamkeit sieht die EU-Studie in vielen Fällen auch das Ideal mitschuld, zu Hause alt werden zu wollen. Diese „Idee“ wurde viele Jahre lang – und wird auch immer noch – politisch forciert. Der Soziologin Vera Gallistl (Universität Wien) zufolge hängen viele Menschen dieser Vorstellung nach, „obwohl die eigene Wohnung im Alter zur Barriere werden kann, die der Bewohner nur unter Aufwand nutzen oder verlassen kann“. Ohne sich des Sarkasmus zeihen zu lassen: die Waltons? – hat es ja „früher“ auch bei uns gegeben. Also, dass mehrere Generationen unter einem Dach lebten. Und zwar harmonisch. Sind also Einliegerwohnungen eine „neue alte Lösung“ für das Problem der Einsamkeit (und zwar nicht ausschließlich im Alter)?
Was uns vor Einsamkeit bewahrt
Bei Einliegerwohnungen (ELW) ist zuvorderst nach der Möglichkeit der „friedlichen Koexistenz“ zu fragen. Dann aber lebt es sich in und mit einer ELW prächtig: Neben sozialen hat diese vor allem auch finanzielle Vorteile.
Ausbezahltes Eigentum plus Pflegegeld
In den vergangenen Jahrzehnten wurden viele Einliegerwohnungen gebaut, weil die Wohnbauförderung dies zuließ. Häufig sind diese zwischenzeitlich mit dem daneben liegenden Eigenheim zusammengewachsen und haben schlichtweg die Wohnfläche vergrößert. „Grundsätzlich machen Einliegerwohnungen weiterhin Sinn, insbesondere angesichts des stark wachsenden Pflegebedarfs in der Bevölkerung“, sagt Wolfgang Amann, Geschäftsführer des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen. Mehr als die Hälfte der Bewohner von Eigenheimen sind Pensionisten. Ausbezahltes Eigentum sei vergleichsweise sehr günstig, so der Immobilienforscher. Zusammen mit dem Pflegegeld sei es dann „für sehr viele pflegebedürftige Österreicher möglich, eine 24-Stunden-Betreuung in Anspruch zu nehmen“. Eine Einliegerwohnung zur Unterbringung der Betreuungskraft sei dafür eine „geradezu ideale bauliche Gegebenheit“.
Die Oma kommt!
Nehmen wir ein Einfamilienhaus. Die Kinder sind raus. Man entscheidet: Es soll jetzt eine Einliegerwohnung entstehen. Es wird saniert – und zwar barrierefrei, weil die Oma jetzt „dort unten“ einziehen soll. Jedenfalls sollte man sich vor diesem Schritt fragen: Werden wir uns überhaupt verstehen? Eine Einliegerwohnung bedeutet eine ziemliche Nähe. Manchmal hilft es daher, die Freiräume durch eine Palisade oder eine Hecke abzutrennen. Zuerst geht es also an die Umstrukturierung des Hauses. Denn unsere Oma braucht doch etwas mehr Platz, als ein vormaliges Kinderzimmer bietet, bestimmt auch ein eigenes Bad. Oft wird man keine baurechtlich eigenständige Wohnung errichten, sondern nur ein größeres Zimmer mit eigenem Bad (siehe Kasten).
Herausforderung Barrierefreiheit
Barrierefreiheit ist eine große Herausforderung, denn der freie Platz ist meistens im Obergeschoß. Da kann man sich, wenn es einmal so weit ist, mit Treppenliften behelfen. Ein Oma-Apartment im Keller empfiehlt sich wirklich nur, wenn ausreichend Tageslicht vorhanden ist, etwa in Hanglage. Amann macht einen anderen Vorschlag: „Spannend ist etwa, für die Oma ein eigenes Mikro-Haus im Garten aufzustellen.“ Der Nachsatz: „Solche Lösungen sind auch ohne Baubewilligung möglich.“
Eine ikonische Einliegerwohnung in Hernals
Das Thema Ökologie mit der schwierigen Situation einer nordwärts gerichteten Hanglage zu vereinen war für Architekt Aichberger (aichberger-architektur.at) im Entwurf die größte Herausforderung an dem Konzept des Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung in Wien-Hernals. Das Gebäude liegt auf einem schmalen, aber fast 45 Meter langen Grundstück am Nordrücken des Predigtstuhls. Der Baukörper neigt sich in Richtung Süden zum Hang hin und erhält dadurch seine prägnante Form. Um die topografische Situation optimal auszunutzen, wurde die Hauptebene mit Wohn- und Essbereich im dritten Geschoß situiert. Die Räume orientieren sich sowohl zum Garten in Richtung Süden als auch nordwärts in Richtung des unverbaubaren Ausblicks. Über der Wohnebene befindet sich das Schlafgeschoß. In seiner Fassadengestaltung faltet es sich über die großteils verglaste, darunter liegende Ebene. Ein grauer Kubus sticht aus dem weiß verputzten Baukörper heraus und markiert den darin befindlichen Wellness- und Saunabereich. Trotz der vier Ebenen stehen die Proportionen des Baukörpers im Verhältnis zu der vorwiegend aus Kleingartenhäusern bestehenden Bebauung der Umgebung. Das Gebäude (Niedrigstenergiehausstandard: 23 kWh/m² mit Fußbodenheizung) wurde mit einer Pellets-Brennwert-Heizanlage (12 kW), mit Sonnenkollektoren fürs Gebrauchswarmwasser und zur Heizungsunterstützung (21 m²), einem holzbefeuerten Specksteinofen sowie mit einer Photovoltaikanlage (Leistung 4,4 kWp) ausgestattet.
Stadt-Land-Gefälle
Neu gebaute Einliegerwohnungen unterliegen nicht der Preisbildung des Mietrechtsgesetzes. Man kann daher verlangen, was der Markt hergibt. Das Thema hat naturgemäß auch eine Stadt-Land-Tangente: Einliegerwohnungen sind ein prominenteres Thema im ländlichen und semiurbanen Raum. In der Stadt, wo jeder Quadratmeter viel stärker zu Buche schlägt, sind sie für die meisten kaum leistbar.
Abschließend lässt sich sagen: Einliegerwohnungen vergrößern die Wohnfläche. Es gibt Lebensphasen, in denen dies wünschenswert ist, aber auch solche, wo mehr Raum eine zusätzliche Last bedeutet. Wenn eine Einliegerwohnung auch zur Fremdvermietung dienen soll, um das eigene Einkommen (z. B. in der Pension) aufzubessern, sollte sie unbedingt baulich abgeschlossen sein, mit eigenem Eingang und einem uneinsehbaren Freiraum. In einer touristischen Gegend kann die zusätzliche Wohneinheit auch als Ferienwohnung angeboten werden. Fest steht: Einsamkeit kommt unter den „richtigen Mitbewohnern“ bestimmt seltener auf.
Der Artikel als PDF
- Die Rückkehr des Steildachs
- Zusätzlicher Raum