Dieses Interview ist in der Interviewreihe mit Architekten und Bauherren, die 1999 in wettbewerbe 178/179/180 startete, das mittlerweile fünfzigste seiner Art. Was war bisher Inhalt der Gespräche? Meist standen ein ausgewähltes Projekt und sein Architekt oder Bauherr mit seiner Sichtweise zum Projekt und zum Baustoff Ziegel im Vordergrund. Heute ist unser Interviewpartner Architekt Hans Gangoly, Professor an der TU Graz, Institut für Gebäudelehre. Gefragt wird nach seinen Gedanken zum Themenkreis „Ziegelarchitektur – von den Anfängen bis zur zeitgenössischen aber auch außereuropäischen Architektur“.
wettbewerbe: Ich zitiere aus einem Text von Ihnen: „Im Jahr 1913 erschien im New York Journal zum ersten Mal der tägliche Comic-Strip Krazy Kat, gezeichnet und geschrieben von George Herriman, einem 1880 in New Orleans geborenen Karikaturisten. Bis zu seinem Tod 1944 entstanden unzähligen Varianten der heute noch geläufigen Geschichte. Die Katze Krazy Kat liebt Mäuserich Ignatz, der sie jedoch verachtet und ihr bei jeder Gelegenheit Ziegel an den Kopf wirft, um ihr seine Abneigung zu verdeutlichen. Krazy Kat missversteht die Attacken und deutet sie als Liebesbeweis. Eine Endlosschleife. Wir lernen daraus einiges über die Liebe – und über den Ziegel. Er ist immer und überall verfügbar, hat ein handliches Format und ein Gewicht, das ihn – schwer, aber nicht zu schwer – als Wurfgeschoß geeignet erscheinen lässt – und alle Ziegel sind gleich“.
Gangoly: Ja, diese grundlegenden Eigenschaften sind es, die den Ziegel seit seiner Erfindung ausmachen. Denn für das Bauwesen bedeuten sie, dass Ziegel an nahezu jedem Ort der Welt hergestellt werden können, dass man Ziegel mit einer Hand anheben, an den Maurerkollegen weitergeben bzw. -werfen sowie verarbeiten kann und dass der Ziegel ein kleines, genormtes Modul ist, dessen Abmessungen eine additive Bauweise erlauben. Betrachten wir die Anfänge, dann ist, neben Stein, Holz und pflanzlichen Fasern, Ziegel zu den ältesten Bauweisen der Welt zu zählen. Zuerst bestanden sie aus luftgetrocknetem Lehm. Anfangs noch handgemacht, wurden sie ab etwa 5500 v. Chr. in Formen gepresst, um glattere Oberflächen zu erhalten. Brennofen- und Ziegelfunde im Industal und in Mesopotamien lassen darauf schließen, dass ca. 2500 v. Chr. begonnen wurde, Ziegel zu brennen. Reste von Zikkurats und Stufentürmen zeugen noch heute von der hochentwickelten Ziegelbaukunst im Zweistromland. Auch in China und Südostasien wurde die Ziegelbauweise bald heimisch. Zur Zeit der römischen Republik wurde Ziegel das vorrangige Baumaterial. Wurden zu Beginn noch vielfach luftgetrocknete Lehmziegel verwendet, die verputzt oder mit Marmorplatten verblendet wurden, setzte sich bald der gebrannte Ziegel, oft in Kombination mit einer betonartigen Masse, durch.
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