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Alpin heiter

Fotos: © Gregor Graf
Turmartiger Bebauung über vier Geschoße im Hang als mutige Abweichung
Fotos: © Gregor Graf

Haus S, Sistrans / riccione Architekten & Helga Flotzinger

Aus der bäuerlichen Siedlung Sistrans im Einzugsgebiet der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck ist das Dorf in den vergangenen Jahrzehnten zur beliebten Wohngemeinde geworden, mit einem Einfamilienhausteppich, der sich nach und nach erweitert und verdichtet. Für die Gestaltung eines neuen Wohnhauses in dem Ort ließen sich das Büro riccione und Architektin Helga Flotzinger eine von den Sommerfrischehäusern und kleinen Villen, die in Sistrans um die vorletzte Jahrhundertwende und im frühen 20. Jahrhundert entstanden sind, inspirieren. Die wenigen noch erhaltenen Beispiele waren Vorbild für ein gewisses Maß „alpiner Heiterkeit“ – ohne Scheu vor etwas Hütten- und Ferienhausgemütlichkeit, mit Mut zur Abweichung und Extravaganz. 

Das Raumprogramm wurde in turmartiger Bebauung über vier Geschoße in den Hang organisiert. Im Untergeschoß haben Büroräume und die kleine Oldtimer-Sammlung des Auftraggebers Platz. Das Erdgeschoß beherbergt eine eigenständige Wohneinheit und die Haustechnik. In den beiden Obergeschoßen entfaltet sich die Hauptwohnung mitsamt Sauna- und Fitnessbereich. Die Grundrisse folgen konsequent den spezifischen Bedingungen der Topografie und Orientierung des Bauplatzes. Talwärts öffnet sich die Fassade zum Gebirgspanorama der gegenüberliegenden Nordkette. Hangseitig, Richtung Patscherkofel, docken die Garten- und teils überdachten Terrassenflächen an. Durch die offe­ne Grundrissgestaltung und bewusst gesetzte, dunkelrot gerahmte Fensteröffnungen wirken die Ausblicke und Lichtstimmungen von allen Seiten tief in den Raum hinein. Unten ganz Atriumhaus mit Himmelslicht von oben, entwickelt sich die Architek­tur allmählich mit der pultartigen Überdachung des Aufgangs ins Erdgeschoß zu einem Turm, überwölbt von einem versetzt geöffneten Tonnendach. 
 

Das Architekturbüro riccione architekten besteht aus Clemens Bortolotti und Tilwin Cede. Ihre Entwürfe knüpfen an die Moder­ne an und erweitern zugleich die Grenzen dessen, wie Architektur gedacht und interpretiert werden kann.

Helga Flotzinger hat seit 2004 ihr eigenes Büro in Innsbruck. Zusammen mit Reingard Cede und Doris Bayer gründete sie convoi architektinnen. Sie studierte an der Universität Innsbruck, wo sie am Institut für Hochbau Lehraufträge innehat. 

Spannungsvolle Übergänge
Die komplexe Außenform wird von Holzschindeln wie von einer Haut organisch umhüllt. Innen zeigt sich die Konstruktion: Stahlbeton in den erdberührenden Teilen, Holzbinder in den Dachbereichen. Naturfarbene Lehmputze, Eichen- und Birkenholz sowie keramische Fliesen ergänzen die schlichte Materialauswahl. Die betont vertikale Schichtung des Hauses lässt die Treppen mit ihren weiß lackierten Gittern und Geländern zu einem wichtigen Element der Gestaltung werden. Innen wie außen bilden sie spannungsvolle Übergänge von einer Ebene zur nächsten. 

Projekt
Haus S, Sistrans

Bauherr
privat

Generalplanung
riccione architekten, Innsbruck riccione.at
Architektin Helga Flotzinger, Innsbruck arch-flotzinger.at

Statik
FS1 Fiedler Stöffler, Christian Stöffler (Holzbau), Innsbruck / a+t, Martin Schindl (Betonbau), Volders

Projektdaten
Grundstücksfläche 893 m²
Bebaute Fläche 141 m²
Nutzfläche 257 m²
Bruttogeschoßfläche 383 m²

Projektablauf
Planungsbeginn 05/2019
Baubeginn 07/2020
Fertigstellung 07/2022

Materialien
Fassade: Holzschindeln (Astner Holzschindeln)
Außenwände: Tonziegel, Holzriegelbau (Holzbau Lengauer-Stockner, Schwoich)
Fenster/Türen: Holz-Alu-Fenster, Holz-Alu-Türen (Rieder Fenster Zillertal)
Böden: Fischgrätparkett, Terrazzofliesen, Holzrost (Marmoker Fliesen)
Sanitärgegenstände: Holter Bad, Klafs Sauna (Fritz Holter GmbH, Hall in Tirol) 
Küche: DAN