344 Naturstein

Baden in bester Gesellschaft

©  Richard Watzke
Treffen Naturstein und Wasser ­aufeinander, entstehen Lieblingsplätze.
© Richard Watzke

Was für uns tägliche Gewohnheit ist, bleibt für den Großteil der Menschheit ein unerreichter Luxus. Vielleicht ist der Aufenthalt im Bad gerade deswegen so beliebt. Unverzichtbarer Bestandteil in Bädern und Thermen ist Naturstein.

von: Richard Watzke

Das Bad hat nicht nur in Europa einen hohen Stellenwert. In vielen Religionen erfüllt das Eintauchen und das Reinigen des Körpers im Wasser rituelle Aufgaben. Zugleich ist der Umgang mit Wasser ganz allgemein ein Vergnügen, das je nach Anwendung wärmt, erfrischt und Entspannung schenkt. Abhängig von der räumlichen Situation kann Baden ein intimer Vorgang sein, bei dem man nicht gestört werden will, oder aber ein geselliges Miteinander. In der Kunst wurde das Baden vielfach thematisiert: Jacopo Tintoretto stellt in seinem berühmten Gemälde im Wiener Kunsthistorischen Museum eine Bibelszene der frommen Susanna im Bade dar und Lucas Cranach d. Ä. führt dem Betrachter seines Jungbrunnens von 1546 vor Augen, wie man vom Alter gezeichnet ins Wasser hinabsteigt und auf der anderen Seite des Beckens jung herauskommt. Ganz so magisch geht es im realen Leben nicht zu, und doch verspricht das Baden seit jeher willkommene Ausflucht vom Alltag. Bereits in der Antike gehörte das Baden zum guten Ton und Thermen wurden je nach Budget mit Marmor und anderen Natursteinen veredelt.

Quell der Freude
Aufwind bekam das Badevergnügen in der Neuzeit durch die Heilbäder, deren Namen noch heute von der Hochblüte der neuzeitlichen Badekultur zeugen. Bad Vöslau, Bad Ischl und viele andere Orte machten es vor. Baden wurde zum gesellschaftlichen Ereignis, das Quellwasser spülte den Staub und die Mühen der Großstadt ab, ließ die „bessere Gesellschaft“ Anteil an der gehobenen Lebensart des Adels haben. Als der Besuch einer Therme auch für andere Bevölkerungsschichten erschwinglich (gemacht) wurde, waren die Themen Baden und Wellness, auch wenn es den zweiten Begriff noch nicht gab, mitten im Leben angekommen. Und heute? Die Badeanstalten haben sich zu Erlebnistempeln gemausert, der Spaß am Wasser wird inszeniert, traditionelle Anwendungen mischen sich mit fernöstlichen. Auch in der gehobenen Hotellerie geht kein Weg an einem hauseigenen Spa vorbei. In Zeiten hoher Mobilität stehen nicht nur Thermen und Badestätten in starkem Wettbewerb untereinander und die Betreiber geben sich alle Mühe, den Gästen auch baulich stets Neues zu bieten. Die Therme Vals in Graubünden gilt als berühmteste Vertreterin dieser Art. Nach wie vor übt Peter Zumthors archaisch anmutender, mit Naturstein vom Ort innen und außen bekleideter Kubus eine große Strahlkraft aus. Unzählige Thermenanlagen wurden vor allem vom kompromisslosen Einsatz des geschichteten Natursteins inspiriert. Seit der Eröffnung 1996 müssen sich alle Nachfolger am Vorbild in Vals messen lassen.

Orientalische Vorbilder
Schon lange vor Vals trugen aufwendig ausgestattete Bäder und Thermenanlagen zur Imagepflege eines Ortes oder einer Region bei. Leuchtendes Beispiel ist Budapest, das als europäisches Bäder-Mekka gilt. Prunkvolles Beispiel in Wien war das Römische Bad, kurz auch Römerbad, nahe dem Praterstern. Die private Badeanstalt wurde im Weltausstellungsjahr 1873 eröffnet und galt damals als größtes Dampf- und Heißluftbad der Welt. Während Hallenbäder für die Allgemeinheit von der Wiener Stadtverwaltung erst Jahrzehnte später erbaut wurden, richtete sich das unter anderem mit massiven Marmorsäulen ausgestattete, private Römerbad gezielt an gehobene Gesellschaftsschichten. Nach der Schließung 1953 fristeten die noch erhaltenen Räume ein trostloses Dasein als Lagerraum. Ein rühmlicheres Schicksal hat das 1901 eröffnete Müllersche Volksbad als erstes öffentliches Hallenbad Münchens. Bei der Fertigstellung war der neubarocke Jugendstilbau das größte und teuerste Schwimmbad der Welt. Architektonische Inspiration gaben römische Thermenanlagen und
barocke Sakralbauten, Hamams und Moscheen. Als stilistische Klammer des Ganzen dienen Jugendstilelemente. Reichhaltig ist vor allem die Innenausstattung mit beigem Kalkstein an Boden, Wänden und Pfeilern.

Kostbare Anmutung
Die Verbindung von Elementen der orientalischen Badekultur mit Naturstein bewährt sich vielerorts. Im Hamam der „Oriental World“ in der 2012 eröffneten Therme Geinberg verbindet sich nach dem Wunsch der Betreiber das traditionelle Baderitual mit der natürlichen Ausstrahlung harmonisch kombinierter Marmorsorten. Auch die Therme Warmbad-Villach bietet Gästen ein Hamam mit Natursteinausstattung. Die dunkelgrauen Steinwände und Sitzbänke werden indirekt beleuchtet und schaffen einen intimen, beruhigenden Raumeindruck, der im bewussten Kontrast zur hell erleuchteten Schwimmhalle steht. Besonders prächtig zeigen sich die Bäder und der Wellnessbereich im Wiener Park Hyatt Hotel. Beiger Kalkstein und Onyx in verschiedenen Farbvarianten verleihen den Räumen nicht von ungefähr eine kostbare Anmutung, denn lange vor dem Umbau der ehemaligen Länderbank-Zentrale zum Hotel lagerten dort Geld- und Goldreserven. Vom Empfang des Spa­bereichs aus blicken die Gäste durch die beim Umbau in situ verbliebene Tresortür in das Schwimmbad. Die seidenmatte Oberfläche des Kalksteins verleiht den ­Flächen eine angenehme Haptik und vermeidet harte Lichtreflexionen. Hochwertig geht es auch in den Zimmern und Suiten zu, wo pastellfarbener Marmor mit gespiegelten Wandbekleidungen kombiniert ist. Für die Signa-Firmengruppe als Eigentümerin des Hotels zahlt sich der enorme Natursteineinsatz nach eigener Auskunft sowohl wegen der repräsentativen Wirkung als auch wegen der Nachhaltigkeit des Werkstoffs aus: Rechnet man die Kosten für einen hochwertigen Teppichbelag, dann muss dieser in regelmäßigen Abständen erneuert werden. Spätestens nach fünf Zyklen wird sich ein hochwertiger Natursteinboden ausgezahlt haben, der darüber hinaus nie aus der Mode kommt.

Zurück zur natürlichen Haptik
Bäder und Wellnessbereiche sind stets Spiegel der aktuellen Trends in der Architektur und bei Werkstoffen. Wie sich diese beim permanenten Kontakt mit Feuchtigkeit und Wasser bewähren, zeigen die Becken und Saunalandschaften erst im laufenden Betrieb. Vor allem die Bodenbeläge müssen hohe Anforderungen erfüllen. Trittsicher soll ihre Oberfläche sein, zugleich unkompliziert in der Reinigung und unempfindlich gegen Chlor. Zu erfüllen sind auch steigende Anforderungen an die Ästhetik. Eine sterile Fliesenoptik ist nicht mehr zeitgemäß und Hersteller keramischer Beläge imitieren mit großem Aufwand die natürliche Anmutung und Oberflächenstruktur von Naturstein. Die Rückbesinnung auf die Vorzüge des Natur-Baustoffs ist besonders in den Wellnessbereichen spürbar, wo Besucher in direkten Körperkontakt mit den Oberflächen kommen. Abhängig von der geforderten Rutschhemmung erfüllen seidenmatt geschliffene oder zuerst aufgeraute und danach mit Bürsten satinierte Natursteine nicht nur die technischen Anforderungen, sondern vermitteln vor allem eine angenehme, natürliche Haptik. Und noch ein Vorteil der natürlichen Steine: Gegenüber Räumen mit vollkommen porenlosen, keramischen Belägen an Boden und Wand ist das Raumklima in Bereichen mit Naturstein nicht nur subjektiv angenehmer.

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