Das Bad hat nicht nur in Europa einen hohen Stellenwert. In vielen Religionen erfüllt das Eintauchen und das Reinigen des Körpers im Wasser rituelle Aufgaben. Zugleich ist der Umgang mit Wasser ganz allgemein ein Vergnügen, das je nach Anwendung wärmt, erfrischt und Entspannung schenkt. Abhängig von der räumlichen Situation kann Baden ein intimer Vorgang sein, bei dem man nicht gestört werden will, oder aber ein geselliges Miteinander. In der Kunst wurde das Baden vielfach thematisiert: Jacopo Tintoretto stellt in seinem berühmten Gemälde im Wiener Kunsthistorischen Museum eine Bibelszene der frommen Susanna im Bade dar und Lucas Cranach d. Ä. führt dem Betrachter seines Jungbrunnens von 1546 vor Augen, wie man vom Alter gezeichnet ins Wasser hinabsteigt und auf der anderen Seite des Beckens jung herauskommt. Ganz so magisch geht es im realen Leben nicht zu, und doch verspricht das Baden seit jeher willkommene Ausflucht vom Alltag. Bereits in der Antike gehörte das Baden zum guten Ton und Thermen wurden je nach Budget mit Marmor und anderen Natursteinen veredelt.
Quell der Freude
Aufwind bekam das Badevergnügen in der Neuzeit durch die Heilbäder, deren Namen noch heute von der Hochblüte der neuzeitlichen Badekultur zeugen. Bad Vöslau, Bad Ischl und viele andere Orte machten es vor. Baden wurde zum gesellschaftlichen Ereignis, das Quellwasser spülte den Staub und die Mühen der Großstadt ab, ließ die „bessere Gesellschaft“ Anteil an der gehobenen Lebensart des Adels haben. Als der Besuch einer Therme auch für andere Bevölkerungsschichten erschwinglich (gemacht) wurde, waren die Themen Baden und Wellness, auch wenn es den zweiten Begriff noch nicht gab, mitten im Leben angekommen. Und heute? Die Badeanstalten haben sich zu Erlebnistempeln gemausert, der Spaß am Wasser wird inszeniert, traditionelle Anwendungen mischen sich mit fernöstlichen. Auch in der gehobenen Hotellerie geht kein Weg an einem hauseigenen Spa vorbei. In Zeiten hoher Mobilität stehen nicht nur Thermen und Badestätten in starkem Wettbewerb untereinander und die Betreiber geben sich alle Mühe, den Gästen auch baulich stets Neues zu bieten. Die Therme Vals in Graubünden gilt als berühmteste Vertreterin dieser Art. Nach wie vor übt Peter Zumthors archaisch anmutender, mit Naturstein vom Ort innen und außen bekleideter Kubus eine große Strahlkraft aus. Unzählige Thermenanlagen wurden vor allem vom kompromisslosen Einsatz des geschichteten Natursteins inspiriert. Seit der Eröffnung 1996 müssen sich alle Nachfolger am Vorbild in Vals messen lassen.
Orientalische Vorbilder
Schon lange vor Vals trugen aufwendig ausgestattete Bäder und Thermenanlagen zur Imagepflege eines Ortes oder einer Region bei. Leuchtendes Beispiel ist Budapest, das als europäisches Bäder-Mekka gilt. Prunkvolles Beispiel in Wien war das Römische Bad, kurz auch Römerbad, nahe dem Praterstern. Die private Badeanstalt wurde im Weltausstellungsjahr 1873 eröffnet und galt damals als größtes Dampf- und Heißluftbad der Welt. Während Hallenbäder für die Allgemeinheit von der Wiener Stadtverwaltung erst Jahrzehnte später erbaut wurden, richtete sich das unter anderem mit massiven Marmorsäulen ausgestattete, private Römerbad gezielt an gehobene Gesellschaftsschichten. Nach der Schließung 1953 fristeten die noch erhaltenen Räume ein trostloses Dasein als Lagerraum. Ein rühmlicheres Schicksal hat das 1901 eröffnete Müllersche Volksbad als erstes öffentliches Hallenbad Münchens. Bei der Fertigstellung war der neubarocke Jugendstilbau das größte und teuerste Schwimmbad der Welt. Architektonische Inspiration gaben römische Thermenanlagen und
barocke Sakralbauten, Hamams und Moscheen. Als stilistische Klammer des Ganzen dienen Jugendstilelemente. Reichhaltig ist vor allem die Innenausstattung mit beigem Kalkstein an Boden, Wänden und Pfeilern.