347 Thema

Baut angemessen!

© WAG, Architekt Franz Riepl
Modernisierung der Wohnhausanlage Bindermichl, Linz
© WAG, Architekt Franz Riepl

Für Architekt Franz Riepl müssen angemessene Bauprojekte leistbar sowie verträglich und maßstäblich sein. Der Architekt müsse die Verantwortung für die Gestaltung und das gesamte Objekt tragen können. Dass der Holzbau derart gefördert wird, macht ihn traurig.

In einem Zeitungsartikel sagen Sie: „Baut ange­messen!“ Was ist mit dem „Unangemessenen“ gemeint?
Unangemessen ist es, wenn ein Konzept gebaut wird, welches nicht erhalten werden kann. Und es ist auch unangemessen, wenn es in der Nachbarschaft nicht verträglich ist. Zwei wesentliche Themen – Leistbar-
keit und Verträglichkeit mit Maßstäblichkeit und Erscheinungs­bild. Die Selbstabsicherung gewinnt im Alter an Bedeutung, weil sich der Staat auch bei Sozialwohnungen die Förderung und Unterstützung kaum mehr in der bisherigen Art leisten kann und will. Die Angemessenheit beginnt beim Bauen mit der Materialwahl für die Situation. Die Reparaturen und Wartungen, der Unter­halt von Ausstattungen oder technischen Ausstattungen müssen leistbar bleiben. Ich bin auch selbst in dieser Situation. Stellen Sie sich vor, wie einfach es im Verhältnis ist, ein Haus nur zu kalken oder neu zu streichen. Im Gegensatz zu einer Demontage oder Neu­errichtung von Fassaden oder Fassadenteilen.

Viele Zielprogramme sprechen von Klimaneutralität. Es gibt das Passivhaus mit maximal gedämmter thermischer Hülle und mechanischer Lüftung mit Wärmerückgewinnung, es gibt Sonnenhäuser mit Nutzung der Sonnenenergie für Heizung und Warmwasser. Was halten Sie von diesen Konzepten?
Mit den Errichtungskosten muss ich vorrangig den Unterhalt bewerten. Zum Teil sind Konzepte auch Moden. Ich habe in meinem Haus angemessene Öffnungen geplant. Die Befensterung hat da nicht so großen klimatischen Einfluss wie bei den heute „modernen“ großen Glasflächen, die nicht notwendig sind. Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn jemand technisch bewandert ist und alltägliche Reparaturen in seinem Haus selbst erledigen kann. Wer aber technisch hoch ausgestattet und auf den Fachkräfteeinsatz von Firmen angewiesen ist, muss höchst vorsichtig sein. Es ist nicht sinnfällig nach 20 bis 30 Jahren ein Bürogebäude abzureißen. Viel liegt an der Übertechnisierung, die ein Problem für die Nachhaltigkeit ist.

 

Wie sehen Sie das Projekt „2226“ von Architekt Dietmar Eberle?
Ich kenne das Projekt, das ist ja sein eigenes Bürohaus. Gegen das ist gar nichts zu sagen, diese Bestrebungen sind hoch anerkennenswert. Im Grunde genommen hat er ein traditionelles Haus gebaut, das ist das Entscheidende. Schauen Sie diese Angemessenheit an, dort beginnt es. Ein vernünftiges Fensterverhältnis, so kann er auch im Sommer ohne Sonnenschutz auskommen und hat trotzdem genügend Licht in den Büroräumen. Die Reinigung der Fenster wird vielleicht nur mit Hochkran möglich sein. Im sozialen Wohnbau muss ich diese Tätigkeit aber selbst durchführen können, ohne warten zu müssen, bis eine Firma kommt. Was mich bewegt, ist die Entwicklung von Bausystemen, Konstruktionen und Gestaltungsmethoden, die allgemein annehmbar und nachhaltig sind. Es gibt heute sehr viele Konstruktionen, die nur für den speziellen Fall tauglich sind. Mich interessieren Entwicklungen, die eine Allgemeingültigkeit haben, von denen dann die Gesellschaft profitiert. Insofern ist der Ansatz von Eberle ein sehr guter Ansatz. Deshalb bin ich traurig, wie das Thema des Holzbaus so hoch gefördert wird, dass es nicht mehr stimmig ist.

Auf der Website des Architekturbüros Dudler gibt es Statements, etwa: „Wir halten nichts von Modeströmungen, die sich nur als kurzlebige Lösungen erweisen.“, oder: „Es ist einfach, ein Haus mit 100 beliebigen Details zu bauen. Wenn man nur auf zehn Details setzt wie wir, muss jedes Detail perfekt sein.“ Trifft das auf sein Wohn- und Geschäftshaus „One“ in Gallneukirchen zu?
Das trifft im städtebaulichen Konzept dieses Gebäudekomplexes zu. Es ist ganz richtig, dass er sich auf Details beschränkt, aber nicht überall ist mit diesen Details die perfekte Lösung möglich. Die Umsetzung hat eine sehr enge persönliche Zusammenarbeit mit Max Dudler gefordert. Überaus positiv war, dass, wenn mir etwas nicht ganz stimmig vorgekommen ist, ich über den Projektleiter hinaus direkt mit ihm sprechen konnte und er sich dann auch um diese Dinge gekümmert hat. Als Beispiel sei hier die Weiterentwicklung der geplanten Steinfassade zu einer angemessenen Putzfassade genannt. Das war ein mehrstufiger Prozess, der eine innige und vertrauensvolle Zusammenarbeit auf freundschaftlicher Basis erfordert hat. Insofern bin ich mit dem Gesamtergebnis sehr zufrieden, wenn auch nicht jedes Detail, beispielsweise aus finanziellen Gründen, diese letzte Stimmigkeit erlangt hat. Die Reduktion auf wenige Details, dass diese Details ortstypisch, objekt­typisch sind, das ist das Schwierige. Das ist ein gedanklicher Verdichtungsprozess, der sehr viel Arbeit, manchmal auch Umwege verursacht. Das verlangt auch qualifizierte Mitarbeiter des Büros, des Nutzers und des Bauherrn. Noch eines: Alle Änderungen oder Verbesserungen, aus finanziellen Gründen oder Gebrauchsgründen, haben wir immer einvernehmlich mit dem Büro gelöst. Diesen Weg haben wir nie verlassen, denn letztendlich muss der Architekt die Verantwortung für die Gestaltung und das gesamte Objekt tragen können. Das ist manchmal sehr aufwendig, aber meiner Meinung nach eine Grundentscheidung für eine verantwortungsvolle Architektur.

Eine schnelle Frage: Satteldach, Walmdach, Krüppel­walmdach oder Flachdach?
Diese Frage ist so nicht zu beantworten. Entscheidend ist für mich die Gestaltqualität des Daches. Das geneigte Dach ist eine sinnfällige Plastik und in der Regel eine gestalterische Bereicherung des Gebäudes. Diese ist bei reduzierten kubischen Gebäuden durch andere Strukturen zu ersetzen. Es ist sehr schwer, ein kubisches Gebäude gut proportioniert zu teilen und durch Fenster zu gliedern, während die plastische Qualität des Daches selbst einen einfachen Körper gestaltet. Es ist weniger eine technische als eine gestalterische Frage. Sie gehen durch die Landschaft und die Plastik eines Daches ist jedem verständlich, das Wasser rinnt herunter ...

Weil wir gerade beim Dach sind. Was können Sie uns von der „Modernisierung Bindermichl“, dem aktuellen Projekt der WAG, erzählen?
Ursprünglich waren drei Bauten im Hof angedacht. Dies hätte die wertvolle Begrünung des Innenhofes vollständig zerstört und den Bestand nicht aufgewertet. Mit unserem neuen Beispiel für die Verdichtung eines Altbestandes durch Erweiterung der Baulinie zum Innenhof konnten wir das Ziel von 50 hochwertigen Wohnungen im Dachgeschoß mit bis zu 3,20 m Raumhöhe erreichen, den Hof samt Baumbestand erhalten und allen anderen Wohnungen einen barrierefreien direkten Zugang vom Lift über eine behindertengerechte Loggia auf Wohnungsebene ermöglichen. Mit Lift beim Treppenhaus würden sie immer am Zwischenpodest ankommen. Zusätzlich blieb die Ansicht auf der Straßenseite praktisch unverändert. Es ist ein Weg der Erweiterung und Verbesserung der Nutzung und einer integrierten Aufwertung. Mein Einsatz dort ist deshalb so hoch, weil ich denke, dass ich damit einen sehr guten Abschluss meiner Berufsarbeit leiste. Fragen Sie mich nicht, was das an Energien gekostet hat. Wenn das Konzept weitergeführt wird, könnten 500 neue Wohnungen entstehen. Der Aufwand würde auch die Erhöhung der Gebäude um ein Geschoß durchaus rechtfertigen. In der Materialität orientiert sich der Zubau am verputzten Original.

Die Ennsfeld-Verbauung im Stadtteil Ebelsberg ist eine lange, geschlossene Häuserzeile, welche die Siedlung gegen Autolärm abschirmt. Errichtet mit 50 cm monolithischem Hochlochziegelmauerwerk, entstanden von 1988 bis 1997 insgesamt 1332 Wohnungen auf einem 27 Hektar großen Grundstück. Welche Erfahrungen gibt es nach über 20 bis 30 Jahren Nutzungsphase?
Durch diesen Wettbewerb bin ich überhaupt zum ­sozialen Wohnbau gekommen. Alle Bebauungspläne mussten von uns nach der ersten Phase neu entwickelt werden. Ein Flachdach war auf Wunsch des Bauherrn ausgeschlossen und das geneigte Dach mit einem Dachvorsprung hat sich über die Jahrzehnte als zuträglich für die Langzeitqualität herausgestellt. Ebenso die Entscheidung zugunstes des 50-cm-Ziegels, dem
damals der Vorzug gegenüber dem 38 cm Ziegel gegeben wurde.

In Oberösterreich gibt es noch viele Ziegelwerke verschiedener Hersteller, wie sehen Sie die Zukunfts­chancen der Branche?
Ich denke, die Zukunftschancen sind durchaus positiv, besonders für jene, die sich mit der zukünftigen Entwicklung auseinandersetzen. Das spürt man auch.

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