Das Haus nach Maß

© Christoph Panzer
Individuelle Planung durch Architekten bezieht Lage, Umgebung und spezielle Vorlieben der Bauherren ein.
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Welche Vor- und Nachteile hat die Beauftragung eines Architekten bei Planung und Bau eines Einfamilienhauses? Eine Vielzahl objektiver Kriterien untermauert die Argumente, die für das Hinzuziehen von Architekten sprechen. Einige Einwände, wie das Vorurteil, Architekten seien so teuer, erscheinen bei genauerer Betrachtung in einem anderen Licht.

von: Susanne Karr

Um Klarheit zu schaffen, ist es vielleicht nützlich, absolute Ausschlussgründe für die Beauftragung eines Architekten zu erkennen. Da wäre etwa ein überdimensionales Ego des Architekten zu nennen, was in diesem Zusammenhang bedeuten würde, dass die Wünsche der zukünftigen Bewohner hinter der Vision des Planers zurückstehen müssen. Wenn man an jemanden gerät, der präzise Vorstellungen hat, wie ein Haus auszusehen hat, bleibt dem Auftraggeber wenig Mitspracherecht.

Auch wenn das absurd anmutet: Es passiert gar nicht so selten, und man hat dann als Bauherr erstaunlich wenige Chancen, seine eigenen Wünsche einzubringen. Man bekommt ein Haus, wie der Architekt es sich idealerweise vorstellt. Ein historisches Beispiel dafür ist etwa die Villa Tugendhat in Brünn: Da durfte man keine Bilder aufhängen, weil Mies van der Rohe verkündete, das Haus sei fertig und perfekt, so wie es war. Nun kann man vielleicht in diesem Fall noch von Glück reden, dass das Endergebnis doch einige ästhetische Pluspunkte für sich hat – dennoch befremdet ein solch autoritäres Statement, wenn man Architektur auch als praktische Ausführung persönlicher Vorstellungen der Auftraggeber versteht.

Planungsleistung ist abstrakt
Häufig steckt hinter der Entscheidung, warum man keinen Architekten hinzuziehen möchte, ein psychologischer Moment, der die finanzielle Abwicklung betrifft. Die Crux hierbei: Die Hauptleistung der Architekten liegt im Vorfeld des Bauens. Und das Empfinden der Bauherren ist dann oft: „Da habe ich noch nichts dafür gekriegt.“ Denn wenn die Planung auf dem Papier durchgeführt und erarbeitet ist, sieht man vom konkreten Bau noch nichts. Das ist ein Augenblick, in dem Bauherren häufig nicht einsehen, warum sie schon bezahlen sollen. Die Planungsleistung ist zu abstrakt, um sie als Arbeit anzuerkennen. So lange „nichts zu sehen ist“, will man noch kein Geld ausgeben. Wenn es vonseiten der Architekten dann eine Kostenschätzung gibt, wird hinunterverhandelt. An diesem Punkt will man noch kein Honorar zahlen. In der Praxis zeigt sich jedoch häufig, dass durch das Hinzuziehen von Architekten das Gesamtprojekt nicht teurer wird.

Psychologie und Fingerspitzengefühl
Selbstverständlich können Expertise und Erfahrung manches Mal den Wünschen der Bauherren entgegenstehen. Seitens der Architekten ist es absolut notwendig, genau zuzuhören und die grundlegenden Bedürfnisse herauszufiltern, die den Wünschen zugrunde liegen. Sie können den Bauherren unrealistische Vorstellungen ausreden, wenn sie mit praktikablen und passenden Alternativen aufwarten. Manchmal passen fixe Ideen, wie man etwas gerne hätte, vielleicht gar nicht in die Gegend, oder das Grundstück ist zu klein – wenn etwa jemand inspiriert ist vom großen Treppenaufgang eines Schlosses.
Diese Feinarbeit bedeutet für die Planungsphase zunächst gutes psychologisches Fingerspitzengefühl. Wenn man Architektur in erster Linie als Dienstleistung versteht, geht es darum, herauszufinden, was die Bauherren wollen – nicht, welche Vorstellungen man selbst als Architekt zu dem Projekt hat. Das grundlegende Konzept entwickelt sich aus Größe, Raumaufteilung, Stil und Ästhetik. Ein Haus mit Flachdach und viel Glas kann schön sein – aber passt es dorthin, wo es konkret gebaut werden soll? Passt es zu den Leuten? Der Hauptvorteil, wenn man die Expertise von Architekten heranzieht, besteht sicher darin, dass man einen Entwurf erhält, bei dem innere Kriterien wie persönliche Charakteristika der Bauherren und äußere wie Eigenheiten der Umgebung in die Planung einfließen und optimal aufeinander abgestimmt werden.

Im Sinne der Baukultur
Das wirkt auch im Sinne der Baukultur. Im Gegensatz zu den zig verschiedenen zur Auswahl stehenden Fertigteilhäusern, die wie Kieselsteine um Ortschaften herum überall aufgestellt werden. Sie sehen in gewisser Weise doch insgesamt recht gleich aus. Ein weiteres Argument für den Einsatz von Architekten ist die Gegenbewegung zur anhaltenden flächenfressenden Zersiedelung. Es gibt zwar Raumordnung und Bebauungspläne, dennoch scheinen Bodenversiegelung und Zersiedelung ungebremst. Weil Architekten in größeren Konzepten und Zusammenhängen denken und planen, haben sie nicht nur Parzellierung und das eine, aktuell zu bebauende Grundstück im Blick. Sie können sich so als Fürsprecher für Verdichtung einsetzen.

Anwalt und Regisseur
Umbauten sind ein weiteres großes Thema. Gerade hier empfiehlt es sich unbedingt, Architekten zurate zu ziehen. Umbauten bergen immer Überraschungen, manchmal sogar Abenteuer. Es ist zwar möglich, nur mit einer Baufirma, die sich auch um die Einreichung kümmert, den Umbau zu planen. Doch auf unerwartete Probleme können Architekten durch ihren individuelleren Zugang besser und flexibler reagieren. Durch ihre profunde Ausbildung lassen sich auch die Folgewirkungen baulicher Maßnahmen besser einschätzen – etwa beim Abtragen von Mauern oder Deckeneinzug. In der Bauphase agieren Architekten wie Regisseure, bei denen im Kopf bereits das Gesamtbild existiert. Um das zu können, muss man von allen Bauteilen und Abläufen ein bisschen Ahnung haben – von Statik, Elektrik, Installationen, Fenstern etc., um herausfiltern zu können, was wo die beste Lösung ist.

Auch die Überlegung, wie viel Technik man integriert, sollte möglichst früh im Bauprozess angestellt werden. Abzuwägen, welche der vielen Angebote für individuelle Wünsche tatsächlich brauchbar sind, bedeutet, sich in die Thematik zu vertiefen. Hier können architektonische Expertisen wiederum hilfreich sein – allein schon durch Erfahrungs- und Vergleichswerte. In der Regel sind Bauherren beruflich nicht vom Fach. Daher fungieren die Architekten für sie als Anwalt und Vertraute in den unterschiedlichen zu integrierenden Bereichen. Sie führen die Verhandlungen mit den einzelnen ausführenden Firmen, was Termine, Qualität und Kosten angeht.

Mehr als der Behörde Genüge tun
Um eine offizielle Baugenehmigung zu erhalten, braucht man keine Architekten. Die Einreichunterlagen sind Pläne im Maßstab 1:100, die der Behörde Genüge tun. Ein solcher Plan sagt aber wenig darüber aus, wie geschickt der Umbau angelegt oder wie koordiniert der Bauablauf geplant ist, auch nicht, wie sich das Gesamtprojekt finanziell darstellen lässt. Wenn hingegen ein Architekt alles durchplant, wird aus einem relativ unscharfen Einreichplan ein detaillierter Bauplan. Je genauer man weiß, was man will, desto präziser lassen sich die Kosten errechnen und Kostenvoranschläge vergleichen. Das ist ein weiterer Punkt: Alle wollen ja immer Vergleichsangebote. Man kann als Bauherr selbst zum Installateur oder Baumeister gehen, seine Vorstellungen erklären und mit dem Einreichplan einen Kostenvoranschlag erstellen lassen. Solche Kostenvoranschläge einzelner Anbieter sind aber in der Regel schwer oder gar nicht vergleichbar, weil jeder sie anders erstellt. So kann es sein, dass manche Posten in der einen Kostenaufstellung fehlen und bei einer anderen die Summe in die Höhe treiben. Architekten können in einem solchen Fall die Aufgabe übernehmen, mit dem Bauherrn ein gewünschtes Resultat festzuschreiben und die Anforderungen für einen Kostenvoranschlag genau in den Rahmen zu bringen, sodass vergleichbare Angebote eingeholt und Kostenexplosionen vermieden werden. Das Wichtigste ist in dieser Phase, alle Abläufe zu koordinieren und zusammenzuspielen, denn in der Regel stimmen sich die einzelnen Ausführenden zeitlich nicht miteinander ab. Die Firmen sind zwar Spezialisten in ihrem Fach, haben aber meist wenig Interesse bezüglich zeitlicher Abfolgen. In der Praxis entstehen hier oft Schwierigkeiten. Häufig passen die Zeitpläne der voneinander unabhängig agierenden Spezialisten nicht zusammen, wenn sie nicht koordiniert werden. Wenn im Innenausbau die auszuführenden Arbeiten wie Zahnräder ineinandergreifen sollen, kommt die Rolle des Architekten als Bauaufsicht ins Spiel. Das Delegieren dieser Aufgabe kann sich als sehr sinnvoll erweisen. Häufig ergibt die Einsparung finanzieller Mittel durch Koordination und die Vergleichbarkeit und Auswahl der ausgeschriebenen Aufträge eine Summe, die das Honorar der beauftragten Architekten abdeckt.

Gesamtleistung von der Stange
Wie hoch ist der Prozentsatz der Menschen, die Architekten beim Bau eines Einfamilienhauses hinzuziehen? Wenn man sich die Lage in Österreich anschaut, zeigt sich ein deutliches West-Ost-Gefälle. Polemisch aus­gedrückt, findet man in Vorarlberg so gut wie keine Fertigteilhäuser – man kann sie beinahe an einer Hand abzählen. Es ist dort weit verbreitet, sich beim Bau oder Umbau von Einfamilienhäusern einen Architekten zu nehmen. Im Osten ist das Verhältnis quasi umgekehrt: Die überwiegende Mehrzahl der Häuser sind Fertighäuser oder man baut, salopp gesagt, mithilfe von Bekannten, die aus der Branche sind, selbst. Zur Anfertigung eines Einreichplans und sonstiger Unterlagen für die Behörde sind viele befugt. Nicht nur einzelne Baumeister, sondern auch große Firmen, wie etwa das Lagerhaus, haben jemanden im Pool, der die Konzession hat. In dieser Konstellation wird quasi die Gesamtleistung „von der Stange“ angeboten. Man erhält mehr oder weniger standardisierte Häuser bis hin zu Fertighäusern.

Architekten nur für Besonderes
Architekten werden meist entsprechend nur hinzugezogen, wenn man etwas Besonderes, Ausgefalleneres möchte, eine flexiblere und individuellere Gestaltung. Da kann es um innovativere Wünsche gehen, etwa einen zusätzlichen großen Raum für Essen mit Gästen, oder eine integrierte Galerie. Möglicherweise haben Tradition und Baukunst in Vorarlberg einen höheren Stellenwert, weil immer Wert auf die Beibehaltung hoher handwerklicher Qualität gelegt wurde, die sich ihrerseits auf die Qualität der ausführenden Betriebe niederschlägt. Dahinter steckt die Erkenntnis: Wenn Details sinnvoll entwickelt und ordentlich ausgeführt sind, muss bereits der Planungsprozess sorgfältig durchgeführt werden.

In Abstufungen
Eine weit verbreitete Fehleinschätzung ist die Vorstellung, dass man das gesamte Haus bauen lassen muss, wenn man Architekten hinzuzieht. Man kann sich durchaus ein Haus planen lassen und dieses dann selber bauen. Man kann Architekten in verschiedenen Abstufungen beschäftigen. Man kann sie mit Entwurf und Einreichplan betrauen, und mit diesen Unterlagen dann selbst – oder mit eigenen Anbietern – zur Realisierung schreiten. Man kann aber auch alles detailliert ausschreiben, Vergleiche erstellen und den gesamten Bau begleiten lassen – das wäre das Gesamtpaket an Dienstleistung. Dieses Gesamtpaket ist auch in unterschiedlichen Details abrufbar, was durchaus sinnvoll sein kann. Es spricht also vieles dafür, Architekten für die Planung eines Einfamilienhauses zu engagieren.

Richtwerte für die Planungskosten von Einfamilienwohnhäusern
(Einzelprojekte)
Planungskosten ca. 8–9 %
Örtliche Bauaufsicht ca. 4 %
Statik ca. 3–4 %
Bauphysik ca. 2 %
Vermessung ca. 1 %
Summe der Planungskosten ca. 18–20 %

Planungsberatung
Jeder angehende Bauherr kann über die Kammer der Ziviltechniker-­Innen kostenlose Bauberatung in Anspruch nehmen und sich mit einem Architekten/einer Architektin aus dem Beraterpool in Verbindung setzen. Auch bei Fragen der Vertragsgestaltung und Honorarberechnung hilft die Kammer gerne weiter.

Zuständig sind die einzelnen Länderkammern
Wien, Niederösterreich und Burgenland wien.arching.at
Steiermark und Kärnten ztkammer.at
Oberösterreich und Salzburg arching-zt.at
Tirol und Vorarlberg kammerwest.at

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