„Do you feel alright? – Are you ready? - OK, come on, let’s rock!” Mit Plattitüden wie diesen haben uns Generationen von Rockmusikern – manche davon echte Weltstars, manche Staraspiranten, andere Möchtegerns – angeheizt und zum kollektiven Mitbrüllen aufgefordert. Wir lassen uns von der Euphorie anstecken, unser Pulsschlag geht in die Höhe, wir sind geblendet vom Glanz und vom Zauber, der uns geboten wird – auch wenn sich diese bisweilen im Nachhinein als Strohfeuer und Hokuspokus herausstellen.
Dieselben Mechanismen wie in der Pop- und Rockmusik funktionieren in Design und Architektur. Abgehoben von der großen Masse der still und brav vor sich hinarbeitenden Kreativen, Planer und Umsetzer lesen und hören wir staunend, ehrfürchtig oder ergriffen, was die Rockstars unter ihnen gesagt, gedacht und geplant – und manchmal auch realisiert haben. Klar – auch sie mussten sich den Nimbus eines Stars erst erarbeiten. Wie in der Musik zeigen manche von ihnen schon zu Beginn ihrer Karriere Talent zur Selbstvermarktung und basteln gezielt an ihrem Status.
Geschafft haben sie es, wenn sie in den Massenmedien nur mehr mit dem Präfix „Star“ genannt werden. Stardesigner, Stararchitekt – wer einer ist und was einen dazu macht, weiß eigentlich keiner so genau. Manche haben es mit Provokation zum Starruhm gebracht – noch bevor sie irgendetwas gebaut haben. Und sind sie einmal Stars, dann kommen auch die Aufträge. Denn dann hat ihr Name einen Marktwert, der umso höher wird, je mehr er nachgefragt wird – ein simples Spiel von Angebot und Nachfrage. Mit einer solchen Marke versehen, werden unbekannte, farblose kleine und mittlere Städte plötzlich zu Brennpunkten des Tourismus und der medialen Aufmerksamkeit. Konzerne schmücken sich mit den Stars und steigern dabei zugleich den Marktwert ihrer Immobilien.
Es ist wohl kein Zufall, dass es sich bei den heutigen Stars vorwiegend um die mit den revolutionären Ideen der sechziger Jahre aufgewachsenen und zu Dekonstruktivisten gewordenen Architekten handelt, die ihre Karrieren in der Zeit starteten, als das Rockstar-Phänomen weltweit so richtig um sich zu greifen begann. Wenn die Telefon-Warteschleife eines solchen Star-Architekturbüros immer noch „Gimme Shelter“ der Rolling Stones spielt, wird die gemeinsame Struktur hinter dem Phänomen Rockstar und Architekturstar offensichtlich.
Dass fast ganz Wien nun auch mit erhöhtem Pulsschlag in den Prater strömt, um sich den neuen Campus der Wirtschaftsuniversität anzuschauen, dessen Gebäude von größeren und kleineren internationalen Rockstars der Architektur stammen, macht auch unsere Metropole ein klein wenig zu einem Brennpunkt des Starrummels. Möge es sich nicht nur um ein Strohfeuer handeln.
Viel Freude beim Lesen und ein erfolgreiches Jahr 2014 wünscht
Roland Kanfer
PS: In einem aktuellen Interview mit der „Financial Times“ wehrt sich Frank O. Gehry dagegen, „Stararchitekt“ genannt zu werden, weil er diesen Begriff hasse.
Auf twitter folgen: @rolkanfer
Artkel als PDF