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Fortschrittliche Konzepte für urbane Zonen

© Jadric
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Stadtteilentwicklungen bieten die Chance, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen und Städte umwelt- und benutzerfreundlicher sowie resilient gegenüber der Klimaveränderung zu machen. Eine Rundschau.

von: Roland Kanfer

Asiad Athlete Village, Hangzhou, China
Nach dem G20-Gipfel 2016 bekam die chinesische Stadt Hangzhou den Zuschlag für die Asian Games 2022 (XIX Asiad), die pandemiebedingt um ein Jahr auf Herbst 2023 verschoben wurden. Das Asian Games Village befindet sich an der Ostküste des Flusses Hangzhou Qiantang, in der Nähe des zentralen Geschäftsviertels von Qianjiang Century City. Der Masterplan umfasst 2,96 Quadratkilometer und ist drei Kilometer vom Hangzhou Olympic Sports Center, dem Hauptstadion der Asian Games, entfernt. Im Jahr 2018 gewann das Wiener Architekturbüro Jadric Architektur gemeinsam mit dem Stadtplaner Klaus Semsroth von der Technischen Universität Wien den vom Stadtplanungsamt Hangzhou und der Region Xiaoshan ausgelobten internationalen städtebaulichen Wettbewerb. Die beiden haben eine T–förmige Skyline aus Hochhäusern als prägnante Silhouette konzipiert. Diese umrahmt die gemischt genutzten Hochhäuser und verläuft parallel zum Wasserpark und entlang des Qiantang-­Flusses. Inspiriert von der Altstadt von Hangzhou, umschließen Grün- sowie Wasseranlagen das asiatische Dorf in seiner Mitte als grüne Lunge. Die Wasseranlagen, die während der Spiele das Athletendorf als Sicherheitsbarriere abschotten, verbinden als Hauptachse die verschiedenen Bereiche und Funktionen miteinander.
Das Athletendorf für Sportler, Schiedsrichter und Medienpersonal wird mit dem zentralen Geschäftsbezirk Hangzhous verbunden, in dem ebenso Raum für Handel und Geschäftsflächen geschaffen wird. Das neue Entwicklungsgebiet wird 60.000 Einwohner beherbergen und soll durch seine nachhaltige und umweltfreundliche Planung einen hohen Lebensstandard für die Bewohner sicherstellen.

Der Plan für das zukünftige Wachstum der Stadt umfasst fortschrittliche Planungskonzepte wie dichte Raster, gemischt genutzte Bezirke und die Implementierung einer urbanen Industrie. Die Gebäude mit gemischter Nutzung sollen ein dynamisches Umfeld schaffen und eine organische Gesellschaft fördern. Das städtische Modell, inspiriert von den traditionellen urbanen Qualitäten, wird als Urban Cluster im Ausmaß von 120 mal 120 Metern die gebauten Strukturen bilden. Der Autoverkehr an der Oberfläche wird reduziert, stattdessen gibt es unterirdische Parkmöglichkeiten, öffent­liche Verkehrssysteme und eine Haupt­verkehrsachse. Der Masterplan sieht außerdem vor, dass alle Gebäude mit Gründächern ausgeführt werden, was in der urbanen Umgebung einen ruralen Charakter erzeugt und nachhaltige Gebäudekonzepte ermöglicht.

Seeterrassen in der Seestadt Aspern
In Wiens größtem Stadtentwicklungsgebiet, der Seestadt Aspern, entsteht mit den „Seeterrassen“ am Nordufer des Sees ein Quartier über zehn Hektar, davon sind knapp fünf Hektar Bauland. Für zwei geplante Hochhäuser mit insgesamt rund 63.700 Quadratmetern Bruttogeschoßfläche, hinter denen sich weitläufige begrünte Innenhöfe öffnen sollen, wurden Architekturwettbewerbe ausgelobt. Entwickelt werden die beiden Projekte zum Wohnen und Arbeiten von Soulier Real Estate und Moser Wohnbau & Immobilien. Diese beiden Developer gingen im Vorjahr als Sieger aus einem von der Wien 3420 AG ausgelobten Bieterverfahren für die Bauplätze H1 beziehungsweise H5 hervor. Eine der Grundlagen für dieses Verfahren war der neue Gebäude­standard aspern klimafit, der Vorgaben zu unterschiedlichen Qualitätskriterien enthält. Damit sollen den Nutzern dieser Gebäude mit einem Mix an Maßnahmen im ­Bereich Bauen, Wohnen und ­privater Nutzung sowie Mobilität die Rahmenbedingungen für ein Leben mit kleinem CO2-Fußabdruck geboten werden. Dazu gehören Windenergie, der Einsatz von effektivem Sonnenschutz sowie CO2-reduzierte Gebäude­errichtung. „Klimafitte Stadtentwicklung bedeutet für uns aber nicht nur einen absoluten Fokus auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Wir möchten mit unseren Entwicklungspartnern eine urbane Zone realisieren, die prototypisch für eine moderne Stadt Wohnqualität und New Work in Einklang bringt“, meint dazu Robert Grün­eis, seit 2023 als Vorstand der Wien 3420 aspern Development AG für Liegenschaftsverwaltung zuständig.

Grüner Stadtteil Rothneusiedl
Mitte Februar fiel der Startschuss zum Planungs- und Beteiligungsprozess für das Stadtentwicklungsgebiet Rothneusiedl im Süden Wiens. Entstehen soll ein Stadtteil für 21.000 Menschen mit zahlreichen Grün- und Freiräumen, mit Stadtlandwirtschaft und Wohnraum. Ein Drittel des 124 Hektar großen Gebiets, und damit mehr als 40 Hektar, ist als klimawirksame Grün- und Freifläche geplant. Der Stadtteil wird direkt an die U1 angebunden. Eine bis zu 100 Meter breite Grünbrücke wird sich durch das gesamte Gebiet ziehen und für eine ökologische Vernetzung vom Liesingbach ausgehend durch den neuen Stadtteil bis zu den Feldern jenseits der S1-Schnellstraße sorgen. Im Südraum Favoritens sollen 90 Prozent der aktuell bestehenden Grün­flächen dauerhaft gesichert bleiben, versprechen die verantwortlichen Wiener Stadträte Ulrike Simma (Planung) und Peter Hanke (Wirtschaft). Simma möchte 4000 Bäume neu pflanzen und Dächer begrünen lassen.
Mehrheitlicher Grundeigentümer ist der wohnfonds_wien. „Die Entwicklung eines Standorts geht weit über die Realisierung gut leistbarer und qualitätsvoller Wohnbauten hinaus. Auch die nachhaltige Qualitätssicherung spielt eine zentrale Rolle“, erklärt wohnfonds-Geschäftsführer Gregor Puscher.
Ab 2030 soll mit dem etappenweisen Ausbau begonnen werden. Voraussetzung für die Realisierung ist die Verlängerung der U1 nach Rothneusiedl. Bei der Errichtung des 2017 fertiggestellten Südastes der U1 wurde bereits die notwendige Infrastruktur für die Trasse nach Rothneusiedl errichtet. 

Zielsetzungen: Die Rothneusiedl Charta

  1. Wohngebiet Mitte und urbane Mitte
    Öffentlicher Grün-und Freiraum (mind. 10 ha Stadtteilpark)
    Wohnnutzung
    Zentrenfunktion/Nicht-Wohnen
    Büro-Businesscluster
    Bildungseinrichtungen
    Mobilitätshubs im Randbereich
  2. Wohngebiet östlich Himberger Straße
    Wohnnutzung
  3. Grüne Visitenkarte
    Öffentlicher Grün-und Freiraum (mind. 3 ha)
    Zukunftshof
    Bildungseinrichtungen
    Zentrenfunktion/Nicht-Wohnen (Kultur, Soziales, Nachbarschaft ...)
  4. Grünkorridor
    Öffentlicher Grün-und Freiraum (mind. 10 ha und 100 m breit)
  5. U-Bahn-Station, Abstell-und Wendeanlage in Hoch- bzw. Niveaulage (ca. 3 ha)
  6. Betrieblich dominierte Zone
    Betriebsgebiet (ca. 23,5 ha)
    Mobilitätshubs
  7. Zone mit besonderen Beschränkungen
    Eingeschränkte Bebaubarkeit (ca. 21,3 ha)
    Keine Wohnnutzung möglich
    Betriebliche und gewerbliche Nutzungen
    Mobilitätshubs
    Grün-Freiräume (Grünkorridor)
    Park&Ride-Anlage
    Regionalbusterminal

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