367 Thema

Editorial: Gesamtkunstwerke

© Parlamentsdirektion/Hertha Hurnaus
Das Parlament wurde aufwendig in Schuss gebracht.
© Parlamentsdirektion/Hertha Hurnaus

Als „Meister des Gesamtkunstwerks“ gilt der dänische Architekt Theophil Hansen.

von: Roland Kanfer

Im Wien der Gründerzeit, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, konnte er sich mit zahlreichen Bauwerken im kollektiven Gedächtnis der Stadt verewigen. Neben der evangelischen Friedhofskirche in ­Favoriten, der evangelischen Gustav-Adolf-Kirche in Gumpendorf oder dem Sinapalais am Hohen Markt waren es vor allem seine Bauten an der Ringstraße, die anstelle der geschleiften Wiener Stadtmauer seine internationale Bekanntheit festigten. Seine Krönung fand Hansens Schaffen sicherlich mit dem Parlamentsgebäude im hellenis­tischen Stil, einem Sinnbild für die nachabsolutistisch erwachende Demokratie in Österreich.
Während das Parlament nach langer ­Planungszeit und in aufwendiger Rekons­truktions- und Modernisierungsarbeit in Schuss gebracht wurde, wie wir in dieser Ausgabe umfangreich dokumentieren, fallen manche andere, gänzlich unprominente Häuser aus derselben Architekturperiode still und leise der Abrissbirne zum Opfer. Nicht immer sind diese Bauten schützenswert, aber der Eindruck, dass es für Spekulanten in Wien einen großzügigen Handlungsspielraum gibt, ist leider nicht von der Hand zu weisen. Schon der verstorbene Architekturkritiker Friedrich Achleitner bemerkte 1963, dass „die Zerstörungsarbeit an unseren Baudenkmälern das Ausmaß der Kriegs­zerstörung schon längst übersteigt“.
Wie kann es sein, dass allzu oft Altbauten trotz ihrer Erhaltungswürdigkeit abgerissen werden? Auch mit dieser Frage befassen wir uns in dieser Ausgabe. Von der eigentlich zuständigen Wiener Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung) erhielt unser Autor leider keine Stellungnahme dazu.
 Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen – und: Bleiben Sie gesund!

Der Artikel als PDF