Wie umweltverträglich oder umweltschädlich sind die Baustoffe in aktuellen Projekten wirklich? Beinahe alle werden als zumindest teilweise nachhaltig deklariert. Das verweist auf mehrere Zusammenhänge: Einerseits lässt sich die Forderung, umweltbewusst zu agieren, auch in der Baubranche längst nicht mehr ignorieren. Zudem ist das Label „Nachhaltigkeit“ stark positiv konnotiert. Technologische Fortschritte, Materialforschung und internationale Kooperationen haben dazu geführt, dass etwa Passivhäuser State of the Art in der Architektur geworden sind. Die Verwendung möglichst umweltneutraler Baustoffe soll die Ökobilanzen aufbessern. Auf der anderen Seite werden bei Kostenrechnungen häufig immer noch nicht alle Parameter berücksichtigt, etwa was Entsorgung von Materialien aus Abrissen angeht. Die ökologische Forderung „reduce, reuse, recycle“ wird teils nur halbherzig angewendet. Zwar besteht ein Trend von Nach-, Zwischen- und Umnutzung bereits bestehender Gebäude, gemeinhin gilt aber meist doch der Neubau als begehrenswerter.
Beton immer schlecht?
Dabei wird häufig mit der Umweltfreundlichkeit der eingesetzten Materialien argumentiert. Bei einem näheren Blick gilt es, die Zuordnung gemeinhin gelobter bzw. geschmähter Baustoffe allerdings zu überdenken. So lässt sich etwa die Frage, ob Beton immer schlecht ist, wie bei einigen kritischen Anmerkungen immer wieder herauszuhören ist, nicht eindeutig mit „ja“ beantworten. Stabilität und Formvariabilität können durchaus gute Argumente sein. Beispielsweise im Hochhausbau. Mischtechniken, Beton-Holz-Konstruktionen, Kombinationen aus Bambus und Glas eröffnen neue Möglichkeiten.
Plantagen statt Wälder
Puristen sehen das kritisch. Ob das HoHo in der Seestadt Aspern in Wien eigentlich überhaupt als Holzhochhaus gelten darf, weil es einen Betonkern hat, gehört zu den häufig vorgebrachten Kritikpunkten. Denn ob Holz alleine immer das absolut beste Material ist, lässt sich kontrovers diskutieren. Zur funktionalen Statik trägt der Erschließungskern aus massivem Stahlbeton als Basis bei, hier setzt die Holztragekonstruktion auf. Diese sichere Basis dient dem Innenleben mit Stiegenhäusern und Liften. Dass eine natürliche Anmutung durch den Einsatz von Holz entsteht, ist unbestritten. Die Sicht- und Spürbarkeit der Holzflächen gehört zum Kernkonzept des Gebäudes. Will das HoHo also nachhaltiger erscheinen, als es ist, und ist Holz überhaupt so nachhaltig? Die Beschreibung des Projekts verweist auf einen Vergleich, nach dem die Holzbauweise gegenüber einer Ausführung in Stahlbeton rund 2800 Tonnen CO2-Äquivalent einspart. Das entspräche ca. 20 Millionen Pkw-Kilometern oder 1300 Jahren täglich 40 Kilometer Autofahrt. Zudem wird eine Relation zwischen der Summe des für den Bau verwendeten und des in Gesamtösterreich produzierten Holzes angeführt. Die Rede ist von einem jährlichen österreichischen „Holzüberschuss“, von dem das Holzhochhaus weniger als ein Promille verwendet, indem in der gesamten Konstruktion ungefähr 4350 Kubikmeter Holz verbaut sind. Zudem sei das verbrauchte und verbaute Holz in weniger als eineinhalb Stunden nachgewachsen.
Solche Kalkulationen klingen spektakulär, mögen mehr oder weniger überzeugen, vor allem wenn man die Forstindustrie ein bisschen näher beleuchtet. Man muss bei der Holzindustrie mittlerweile eher von Plantagen als von Wäldern sprechen, wie Peter Wohlleben es ausdrückt. Ein Einwand seitens ökologischer Forstwirtschaft formuliert zudem, dass das nachwachsende Holz nicht von der gleichen Qualität sein kann, weil es erst stark werden muss. Zudem lässt die konventionelle Forstwirtschaft wenig Raum für Artenvielfalt. Einwenden kann man gegen die Argumentation auch, dass die Umrechnung auf Pkw-Kilometer nicht berücksichtigt, dass es in der nächsten Zeit zu einer Reduktion des Individualverkehrs kommen muss.
Allianzen von Holz und Beton
Der Holzhochhausbau verwendet viel von dem präparierten Holzmaterial, das als CLT (cross laminated timber) international eingesetzt wird. Ist diese Art Brettschichtholz die zukünftige Version des Betons? Der bisherige Einsatzbereich von Beton bietet die Vorteile, bei relativ großer Gestaltungsfreiheit schnell und stabil Gebäude zu errichten. Ähnliche Eigenschaften weist auch CLT auf. Anders als beim traditionellen Schichtholz reduziert die Anordnung der Längs- und Querschichten die natürlichen Kontraktions- und Dehnungsgrade, gleichzeitig erhöhen sich statische Belastbarkeit und Formstabilität. Im HoHo finden sich 777 Stück blockverklebte Brettschichtholzstützen und Brettsperrholzwandelemente mit Exzellentoberfläche (eine neuartige Form der Oberflächenbehandlung, die die Tragfähigkeit in puncto Riss- und Fugenbildung verbessert). Dieses Holz erreicht bei geringer Rohdichte eine hohe Tragfähigkeit. Ein Tannenholzwürfel der Kantenlänge vier Zentimeter könne vier Tonnen Gewicht tragen, heißt es auf der Website des HoHo.
Die Verbindung von Holz und Stahlbeton führt zu Gebäuden, die im Bereich Energieeffizienz punkten. Die zeigt sich bei einigen Projekten, die 2019 mit dem österreichischen Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit ausgezeichnet wurden. Sowohl bei historischen, denkmalgeschützten Gebäuden wie dem Salzburger Justizzentrum, das bei der Sanierung den Massivbau mit neuen Stahlbetonteilen und alten Holztramdecken kombiniert, als auch in einer Mischung aus Adaptierung und Neubau einer Vorarlberger Schule, bei der Stahlbeton mit Steinwolledämmung und Holzschalung eingesetzt wird. Die Planung der Pavillons und der Cluster berücksichtigte zudem den alten Baumbestand, was im Sinne von Nachhaltigkeit zusätzlich überzeugt. Ein gesamter Schulneubau in Hallwang setzt ebenfalls auf eine Mischung aus Massivholz und Stahlbeton.