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© Simon Menges
Das Museum Küppersmühle wurde von Herzog & de Meuron durch einen Kopfbau erweitert.
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Kunst und Kult(ur)

Das lateinische Wort Museum geht auf den griechischen Begriff „Musentempel“ zurück: ein Ort, an dem man das Schöne betrachten, bewundern und sich damit Wissen, Freude und Inspiration mitnehmen darf. Waren es früher eher beschauliche Studien mit Zeichenstift in der Hand, so müssen Museen heute für neue Besuchergenerationen zusätzlich ganz andere Dinge bieten als reinen Kunstgenuss.

von: Barbara Jahn

Die Kunst beginnt bereits bei der Architektur, die als Brückenbauerin die große Klammer schaffen muss, den Bogen zwischen Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem zu spannen. Bemerkenswert ist, dass es viele Museumserweiterungen und -adaptierungen gibt, die an die historische Bautradition anknüpfen und mit An- und Aufbauten in eine neue Zeitsprache übersetzen.

Ein prominentes Beispiel der jüngeren Architekturgeschichte ist das Museum Küppersmühle im Ruhrgebiet, dessen Baugeschichte vom Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron weitererzählt wurde. Der Erweiterungsbau wurde für die Sammlung Ströher geschaffen, wo nun über 300 Werke deutscher und europäischer Nachkriegskunst ab den 1950er-Jahren auf zusätzlichen 2500 Quadratmetern eine neue Heimat gefunden haben.

Der Zubau, bestehend aus drei unterschiedlich hohen Baukörpern, die sich zu einem neuen Kopfbau vereinen, orientiert sich an den typischen Backsteinbauten des Innenhafens. Zusätzlich wurden auch die historischen Silos mitintegriert. Alt und Neu wurden durch Brücken miteinander verbunden. Insgesamt ergibt sich eine harmonische Fortsetzung des Industriebaus aus dem 19. Jahrhundert in Form einer markanten roten Backsteinfassade, die in einen Platz mit neu gesetzten Platanen ausläuft. Innen wurde eine Abfolge von 36 hellen, klar strukturierten Sammlungsräumen geschaffen, die viel Raum bieten, die Kunst richtig wirken zu lassen. Der spektakuläre Treppenturm aus gewundenem, terracottafarbenem Beton, bereits 1999 beim ersten Umbau des Speichergebäudes zu einem Haus der Kunst entworfen, gleicht im Inneren einer gigantischen Skulptur und zieht den Blick sogartig nach oben. Er findet auch im Neubau sein Pendant.

Den Genius loci bewahren

Das Amsterdamer Architekturbüro Benthem Crouwel Architects suchte bei seinem Anbau an das Museum Arnheim ebenfalls Anschluss – an den Bestand, der über Jahre geschlossen blieb, aber auch an die umgebende Naturlandschaft. Das Gebäude wurde restauriert – einschließlich der charakteristischen historischen Kuppel aus dem Jahr 1873 von Architekt Cornelis Outshoorn, die an die Vergangenheit als Gebäude der Herrengesellschaft erinnert – und durch einen spektakulären Anbau mit über 1100 Quadratmetern erweitert, der als neuer Flügel 15 Meter über das Gelände hinausragt und den Besuchern das Gefühl gibt, über den Bäumen zu schweben. Ziel war es, das Gebäude sichtbarer und zugänglicher zu machen und umgekehrt die Aussicht zu einem Besuchshighlight zu machen – eine enge Verbindung zwischen Kunst und Natur. So wurde das Gebäude höher gemacht.

Neben dem speziellen schwebenden Flügel und einer breiten öffentlichen Treppe, die diesen mit dem erneuerten Skulpturengarten verbindet, ist der Blickfang die Fassade. Gefliest mit 82.000 einzigartigen, handgefertigten Kacheln, kommt der außergewöhnliche Farbverlauf – von erdigen Tönen auf der Straßenseite bis zu eisigem Blau auf der dem Fluss zugewandten Seite – besonders zur Geltung. Damit soll die Lage des Museums auf der von einem Gletscher geschaffenen Moräne symbolisiert werden. Innen gibt es nun fünf neue Ausstellungssäle und zwei öffentliche Räume, die miteinander verbunden sind. Der Kuppelraum in neuem Glanz, Herzstück des Museums, für dessen Innenarchitektur das Studio Modijefski verantwortlich zeichnet, ist heute zentraler Treffpunkt mit Eingang, Shop und Café. Im Obergeschoß wird ein kontinuierliches öffentliches Programm des Museums angeboten. Ein besonderer Blickfang ist der maßgefertigte Kronleuchter, der 18 Meter vom First der Kuppel hängt.

So gut wie unsichtbar

Ebenfalls renoviert und erweitert wurde das Königliche Museum der Schönen Künste in Antwerpen (KMSKA), im 19. Jahrhundert auf den Überresten einer Zitadelle erbaut, entworfen von den Architekten Jacob Winders und Frans van Dyck. Als eines der letzten Beispiele neoklassizistischer Architektur der Stadt Antwerpen beherbergt es eine reiche Kunstsammlung, die sieben Jahrhunderte Kunst umfasst. Im Zuge eines gewonnenen internationalen Wettbewerbs arbeitete das niederländische Architekturbüro KAAN Architecten einen neuen Masterplan für das ursprünglich als Tageslichtmuseum konzipierte Gebäude aus, das mit seiner Wegeführung, Aussichten und Innenhöfen mehr als Promenade angelegt war. Das wohl Erstaunlichste an dem neuen Konzept ist, dass die Erweiterung des Museums innerhalb der bestehenden inneren Struktur verborgen realisiert wurde. Der neue Anbau ist von außen nicht sichtbar, um den historischen Wert des Gebäudes in diesem sich schnell verändernden Stadtteil hervorzuheben. Die Erweiterung koexistiert mit der mächtigen historischen Struktur, ohne deren monumentalen Charakter zu beeinträchtigen.

Um den notwendigen Platz für die neuen Museumsräume und ihre technischen Anlagen zu schaffen, wurden sorgfältige Entscheidungen getroffen wie die Verschiebung der ursprünglichen Wand zwischen dem Rubens- und dem Van-Dyck-Saal, um die blauen Kabinette und die darüber liegenden neuen Ausstellungssäle zu überbrücken. Eine weitere bemerkenswerte Besonderheit der Renovierung ist die 5,5 mal 9 Meter große drehbare Wand im ersten Stock, um die logistischen Abläufe zu erleichtern und um Kunstwerken oder großen Objekten den Zugang zum breiten Kunstaufzug zu ermöglichen. Auf seinem weiteren Weg durch das Museum gelangt der Besucher in den neuen völlig autonomen Ausstellungsraum des 21. Jahrhunderts, der innerhalb der vier ursprünglichen Innenhöfe errichtet wurde und sich im Herzen der Museumsstruktur entfaltet.

Auf der Zielgeraden

2021 gewann das österreichisch-deutsche Architekturbüro Ortner & Ortner Baukunst den nicht offenen Realisierungswettbewerb für das Kinder- und Jugendtheater am Zoo in Frankfurt am Main und setzte sich damit erfolgreich gegen 16 andere Bewerber durch (siehe die Wettbewerbsdokumentation in der Ausgabe 4/2021 – 357). Das 1874 gebaute, im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstörte und zuletzt in den 1980er-Jahren umgebaute Zoogesellschaftshaus ist mittlerweile dringend sanierungsbedürftig. Auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung wird dort ein interaktives Zentrum für Kinder- und Jugendtheater eingerichtet, um die in Frankfurt bestehende Mangelsituation an Theaterräumen und Angeboten für Kinder und Jugendliche zu beheben. Aufgabe war es, eine Kombination aus Theater und Zoo zu schaffen, die eine bestehende Tradition vor dem Ende bewahrt. Das Siegerprojekt ergänzt den u-förmigen Bestandsbau mit einem leichten Holzhybridbau mit vorgelagerter Stahl-Glas-Fassade, der einen fließenden Übergang ins Freigelände schafft. Während die denkmalgeschützte Hülle weitgehend erhalten und teilweise rekonstruiert werden soll, zieht als Herzstück des Hauses das Theater wieder ein: ein großer Saal mit 450 Plätzen und zwei kleinere, allesamt mit fahrbaren Tribünen flexibel gestaltet.

Für die detaillierte Planung und die Erstellung der Bau- und Finanzierungsvorlage des künftigen Kinder- und Jugendtheaters im Zoogesellschaftshaus hat die Stadtverordnetenversammlung im Mai 2022 rund 3,5 Millionen Euro für die Jahre 2022/23 bewilligt. Damit konnte nach dem erfolgreichen Architekturwettbewerb in die konkrete Planungsphase eingestiegen werden. Vorgesehen ist, der Stadtverordnetenversammlung Ende 2024 die Bau- und Finanzierungsvorlage zur Abstimmung vorzulegen. Damit wird die Grundlage für die Ausschreibung der Bauarbeiten und für den Beginn des Umbaus geschaffen. Das zukünftige Kinder- und Jugendtheater im Zoogesellschaftshaus nehme auf dem Reißbrett bereits konkrete Gestalt an, heißt es. Architekten und Theatermacher arbeiten schon fleißig hinter den Kulissen gemeinsam mit einer Gruppe von Jugendlichen als Vertretung der künftigen Besucherschaft an den Umbauplänen für das Zoogesellschaftshaus.

Bitte warten

Noch nicht klar hingegen ist die Zukunft des von Cukrowicz Nachbaur Architekten geplanten Konzerthauses München, das bayrische Kulturgeschichte schreiben soll. Als neue Heimat des Symphonieorchesters des Bayrischen Rundfunks, aber auch als Wirkungsstätte der Hochschule für Musik und Theater München sowie von Künstlern, angesiedelt in einem kreativen Stadtviertel, sollte es die Perle der Kulturszene werden. Doch während es nach einer sogenannten „Nachdenkpause“ der Landesregierung im Herbst noch hieß, dass alles weiterlaufe wie geplant, obwohl man noch auf Ergebnisse warten und dann Entscheidungen treffen wolle, sieht es dieses Frühjahr eher düster für das Projekt aus. Der Grund dafür ist das Dilemma, in dem der Freistaat Bayern steckt, da viele Projekte im Kulturbereich unangetastet geblieben sind und nun „im Stau“ stecken.

Beim Konzerthaus ist die Situation noch ein wenig prekärer, denn mit dem Grundstückeigentümer, auf dessen Liegenschaft das Bauwerk errichtet werden soll, wurde ein Erbpachtvertrag geschlossen, der sich nun als Schlinge um das Bein erweist. Daneben werden die einzelnen Kulturprojekte gegeneinander ausgespielt – baut man ein neues Konzerthaus oder saniert man stattdessen etwas anderes? Dabei hätte alles so schön sein können: Mit 1900 Sitzplätzen im großen Saal und weiteren in zwei kleineren Sälen sowie imposanter Medienfassade erinnert der Entwurf an die Speicherbauten des einstigen Industrieareals, dessen Inneres sich an dem Modell des Wiener Musikvereins im Verhältnis 2:1:1 orientiert. Architektur als Spielball der Politik? Man könnte fast meinen, ja.

Lesen Sie den ungekürzten Artikel ab Seite 30 der aktuellen Ausgabe 368-3/2023 oder am KioskAustria!