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Modelle für die urbane Zukunft

Rendering: Archiv © P. Bagienski / Baumschlager Eberle / Pichler & Traupmann Arch. / Projektbau
Mit mehr als 3000 Wohnungen war der Bauträgerwettbewerb Berresgasse das umfangreichste Verfahren in der Geschichte dieses Wiener Wettbewerbsmodells.
Rendering: Archiv © P. Bagienski / Baumschlager Eberle / Pichler & Traupmann Arch. / Projektbau

Ein Paradoxon urbaner Situationen allgemein ist das Streben nach Verdichtung des bebauten Raums, um nicht weitere Flächen zu versiegeln, andererseits besteht die Forderung nach großzügigem öffentlichem Raum, Grünraum und unbebauten „Pausen“ in der Stadtbebauung.

von: Susanne Karr

Stadtentwicklung gehört zu den anhaltend aktuellen Themen, besonders brisant ist sie aber in Zeiten urbanen Zuzugs, wie ihn österreichische Städte seit Jahren erleben. Urbanisierung, gesellschaftliche und ökonomische Prozesse schaffen städtische Strukturen, die mit der konzentrischen Stadt von früher nur noch wenig gemein haben, wie Innsbrucks Stadtbaurat Wolfgang Andexlinger in seinen Überlegungen zur Stadt der Zukunft formuliert. Dass Stadtplanung immer auch Umgang mit Zielwidersprüchen bedeutet, liegt in der Natur demokratisch funktionierender Gesellschafts­ordnung. Es geht um Abwägungsfragen, fachliche Aspekte, oft gibt es kein klares „Richtig“ oder „Falsch“. Zwischen städtebaulichen und funktionalen Setzungen muss abgewogen werden. Widersprüche zwischen Privatheit und Öffentlichkeit und gesellschaftspolitische Aspekte nehmen hier Einfluss. Neben Wien verzeichnen auch Graz und vor allem Innsbruck steigende Zuwächse in den Einwohnerzahlen. Welche Strategien haben die Stadtplaner, um mit diesen Herausforderungen umzugehen? Welche juristischen und administrativen Überlegungen stehen hinter den Prozessen? Und wie lassen sich langfristige Ziele formulieren und umsetzen? Im Folgenden werden Umgangsweisen der drei Städte umrissen, ohne jedoch einen vollständigen Vergleich liefern zu können.

WIEN
Stadtplanung ist ein öffentlicher Prozess. Wie gelingt Partizipation an Entscheidungen? Durch öffentlich gewählte Vertreter und beschlussfassende Gremien im Wiener Gemeinderat ist eine demokratische Verankerung der Beschlüsse gegeben. Außerdem werden sie von Beteiligungsmaßnahmen begleitet. Zudem ist zugängliche und transparente Informationsweitergabe verpflichtend. So wurde beispielsweise beim Groß­projekt Wiener Hauptbahnhof ein Informationspavillon aufgestellt, um die Bevölkerung zu informieren, was im bisherigen Areal Südbahnhof passiert. Ähnliches findet bei Großprojekten wie Nordbahnhof oder Seestadt Aspern statt. Bei der Planung von Quartieren dieser Größe war vorausgehend selbstverständlich ein städtebaulicher Wettbewerb zwingend. Dessen Ergebnis wurde zur Grundlage des städtebaulichen Leitbildes und der Weiterbearbeitung für wirtschaftliche und technische Umsetzung. Organisatorisch sind im Stadtentwicklungsprozess in Wien unterschiedliche Magistratsabteilungen (MA 18–21) beteiligt mit Aufgabenbereichen von Planung/Widmung bis Dekarbonisierung.

Strategien und Zielsetzungen
Wie geht man in konkreten Gebieten vor, beispielsweise bei einem großen städtebaulichen Eingriff wie im Zielgebiet Hauptbahnhof/Arsenal? Zunächst werden planerische Fragestellungen geklärt und ein Programm definiert mit Fokus auf räumlichen und inhaltlichen Lösungen. Beim Hauptbahnhof in Wien entstanden durch Auflösung des ehemaligen Konzepts des Kopfbahn­hofes aus den früheren Verschubflächen riesige Frei­flächen für Entwicklungsvorhaben. Zudem wurde der Hauptbahnhof zum zentralen Ort auf der internationalen Strecke München-Budapest. Das heißt, man musste ganz neue Nutzungskonzepte entwickeln. Neue Potenziale zeigten sich für Büros, Hotels, Tourismus, Grünraumflächen, die durchmischte Stadt: Wohnen und Arbeiten an einem solchen Verkehrsknotenpunkt haben einen hohen Stellenwert. Das neu entstandene Stadtquartier Sonnwendviertel definiert sich über solche Potenziale und schafft neue Zusammenhänge etwa mit dem angrenzenden Quartier Belvedere. Projekte dieser Art und Größe begleitet die Stadtplanung mit laufenden Dialogveranstaltungen und Diskussionen. Es gibt einen Masterplan Partizipation, und im Zuge der Leitbildprozesse kommt es zu hohen Beteiligungen der Bürger, etwa bei Fragen der Grünraum- und Parkgestaltung, wie Bernhard Steger, Abteilungsleiter Stadtteilplanung und Flächennutzung Innen-­Südwest, im Gespräch erläutert.

Bezahlbares urbanes Wohnen
Die Bereitstellung von genügend bezahlbarem Wohnraum ist eine zentrale Aufgabe der Stadtplanung. Der alle zehn Jahre aktualisierte Stadtentwicklungsplan für Wien (STEP) wird nach den Grundsätzen Siedlungsentwicklung, Grünraum, Infrastruktur, Betriebsflächen und Wohnflächen ausgearbeitet. Bezüglich Stadtentwicklungsvorhaben setzt man sich darin vor allem mit dem Schwerpunkt leistbare und solidarische Stadt auseinander. Zunächst braucht es dafür ganz praktisch einen Bauplatz. Ein wichtiger organisatorischer Punkt sind Baulandumlegungen aufgrund des kleinteiligen und zersplitterten Grundbesitzes in den potenziellen Stadtentwicklungs­gebieten. Ebenfalls weit oben auf der Agenda stehen zudem die Kategorien Klimawandelanpassung und Energieraumplanung, die in den neuen Projekten vorrangig bearbeitet werden sollen.

STEP 2025
Für die Ausgabe des Stadtentwicklungsplans „Wien 2025“ ist derzeit eine Überarbeitung mit dem Arbeitstitel „Positionsbestimmung: Der STEP 2025 aus heutiger Sicht – aktuelle Einblicke und Ausblicke“ im Gange. Eine Beschlussfassung im Wiener Gemeinderat ist vor dem Sommer geplant, wie Eva Kail von der Wiener Stadtbaudirektion mitteilt. Stadtplanung wird darin als „kollektive Verantwortung und Kooperationsaufgabe von Politik, Wirtschaft und Bevölkerung“ beschrieben.

Ein Beispiel, wie die Stadt ihre Vision der sozialen Ausgewogenheit umsetzt, wird mit der Wohnbauoffensive gegeben, gestartet 2018 vom Wohnfonds Wien, mit der selbst gestellten Aufgabe, 14.000 neue Wohnungen bis Ende 2020 fertigzustellen. Zudem wurde dieses Jahr zum dritten Mal der Wiener Wohnbaupreis vergeben: Voraussetzung zur Teilnahme war die Fertigstellung der Projekte zwischen 2014 und 2018. Eine internationale Jury traf im Juni eine Entscheidung aus neun Projekten (siehe dazu den Bericht ab Seite 90 in dieser Ausgabe). Außer einem künstlerisch gestalteten Preis erhielten die Gewinner einen Fixstarterbonus für den nächsten Bauträgerwettbewerb – das heißt, sie bekommen einen Bauplatz zugesichert, haben also auf dem Platz keine Konkurrenz. Selbstverständlich müssen sie sich aber der Jury stellen. Wie werden die Projekte entwickelt? Im geförderten Wohnbau der Plattform wohnfonds_wien gibt es zwei Hauptaufgaben: einerseits Bodenbevorratung, andererseits das Erwerben geeigneter Liegenschaften. Es werden also Grundstücke gekauft und in Zusammenhang mit der Stadtplanung entwickelt, anschließend wird ein öffentlicher Bauträgerwettbewerb abgehalten. Ausschreibungen werden auch mit Schwerpunkten ­versehen, etwa aus der gesellschaftlichen Entwicklung. Gender Planning findet sich als ein Punkt in der Agenda. Zentrale Themen sind Sicherheit, Einsehbarkeit, Vermeidung von Angsträumen, Beleuchtung in Garagen, aber auch Gemeinschaftsräume. Außerdem
werden vermehrt spezielle Wohnformen entwickelt.

Bauträgerwettbewerb
Bei dieser Form des Wettbewerbs, einer Spezialität im Instrumentarium der Wiener Stadtplanung, handelt es sich um ein öffentlich ausgelobtes, nicht anonymes Verfahren. Gemeinnützige oder gewerbliche Bauträger und Architekten entwickeln in Kooperation mit Experten Realisierungskonzepte für die ausgelobten Bauplätze. Der jeweilige Bezirk ist eingebunden, es gibt eine interdisziplinär besetzte Jury, die die Siegerprojekte ermittelt. Die Bauplätze werden mit der Verpflichtung erworben, die als Gewinner ermittelten Projekte zu realisieren. Hauptziel für den geförderten Wohnbau ist neben sozialer Nachhaltigkeit und Ökologie die Leistbarkeit. Daher werden alle Bauträgerwettbewerbe unter diesem Gesichtspunkt durchgeführt. Seit Bestehen des 2012 eingeführten „SMART-Wohnbauprogramms“ mit optimaler Flächennutzung konzentriert man sich auf Alleinerzieherinnen, Singles, Paare und junge Familien. Grundausrichtung und Orientierung, welche Gebiete wie bearbeitet werden, erfolgen gemäß den bezeichneten Entwicklungsgebieten aus dem Stadtentwicklungsplan. Schwerpunkte finden sich momentan, neben weiteren Gebieten, etwa in der Seestadt Aspern im 22. Bezirk, im Areal In der Wiesen im 23. Bezirk, am Donaufeld im 21. Bezirk und in der Berresgasse im 22. Bezirk, wie Gregor Puscher vom Wohnfonds Wien erläutert.

Nach- und Umnutzung
Die Zielsetzungen sind vielfältig, besonders wichtig ist die Nutzung der Entwicklungsachsen in Großentwicklungsgebieten. Aber nicht nur periphere Standorte werden fokussiert, sondern auch zentralere Lagen wie Nordbahnhof oder Sonnwendviertel/Hauptbahnhof. Ein Zusammenspiel verschiedener Nutzungen wie Hotels, geförderter Wohnbau, öffentliche Räume etc. wird angestrebt. Im Sinne von nachhaltiger Nutzung gilt es, bereits bestehende Immobilien einer Nach- bzw. Umnutzung zuzuführen und auf Liegenschaften zurück­zugreifen, wo dies möglich ist. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Transformation eines ehemaligen Betriebsbahnhofs der Wiener Lokalbahnen in der Wolfganggasse. Nach Erwerb des Areals erfolgten in Kooperation mit der Stadtplanung eine Umwidmung und ein Bauträgerwettbewerb. Nach Abschluss werden hier nun in den nächsten Jahren mehr als 1000 geförderte Mietwohnungen inklusive SMART-Wohnungen und integrierte Heimeinheiten errichtet. Bei der Entwicklung von großen Gebieten wird Wert auf viel Mitsprachemöglichkeiten seitens der Bürger gelegt. Es ist besonders wichtig, jenen, die schon dort wohnen, die bevorstehenden Veränderungen zu kommunizieren. Es gilt, Einwendungen ernst zu nehmen, aber auch Vorteile, etwa Verbesserung bestehender Infrastruktur wie Schulen, öffentlicher Verkehr und Nahversorgung zu kommunizieren. Die Erfahrungen der jeweiligen Gebietsbetreuung werden in diese Prozesse einbezogen, federführend für Bürgerbeteiligung ist dabei die Magistratsabteilung 25, denn viele Anliegen der lokalen Bevölkerung sind auf Bezirksseite bekannt.

Mehr Pflanzen in der Stadt
Welchen städtebaulichen Fokus hat Wien in der nächsten Zukunft? Gibt es spezielle Maßnahmen, die sich z. B. auf Luftverbesserung und Temperaturregulierung beziehen? Dachbegrünung und Benutzbarkeit der Dächer durch die Bewohner ist ein großes Anliegen, Fassadenbegrünung trägt zur Verbesserung des Mikroklimas bei. Das Thema ist auch im geförderten Wohnbau interessant, etwa am Kopfbauplatz Eichenstraße/Wolfganggasse, direkt am Gürtel. Allerdings wird zu bedenken gegeben, dass Begrünung derzeit noch oft in Diskrepanz zum Feuerschutz steht. Mitgedacht werden müssen zudem Kosten für Erhaltung, Pflege und Bewässerung, denn Leistbarkeit ist vor allem im geförderten Wohnbau ein wichtiger Punkt.

Allerdings sind solche Begrünungen langfristig gedacht nicht als „teuer“ kategorisierbar, schließlich helfen sie, die Hitze im Sommer einzudämmen. Grün in der Stadt ist international ein Dauerthema, das 27-stöckige Highrise-Hotel Oasia in Singapur wurde soeben mit dem Preis für das beste Hochhaus des Jahres ausgezeichnet. Es ist ein tropischer Turm inmitten der Stadt, an dessen Fassade sich unzählige Pflanzen emporranken. Wer in Wien sofort einen kleinen ersten Eindruck des Gefühls erhalten will, in der Stadt von Grün umgeben zu sein, kann sich ein Modulsystem an Außenfassaden installieren lassen: Eine rasche Umsetzung für bestehende Immobilien wurde Ende Mai vorgestellt. Mit dem Modulsystem BeRTA können straßenseitige Fassaden schnell und einfach begrünt werden. Der Name setzt sich aus den Anfangsbuchstaben seiner Bestandteile zusammen: Begrünung, Rankhilfe, Trog – All-in-one. Das Grünfassaden-Modul besteht aus aufeinander abgestimmten Komponenten. Sie werden professionell an die Fassade angepasst und sind individuell erweiterbar.

INNSBRUCK
Innsbruck ist die derzeit am stärksten wachsende Stadt Österreichs. Besonders seit 2011 nimmt die Bevölkerung um jährlich ca. neun Prozent zu. Herausforderung für die Stadtplanung ist das Zusammenspiel aus Faktoren wie begrenzter räumlicher Verfügbarkeit und daraus resultierender hoher Grundstückspreise, gekoppelt mit der dynamischen Entwicklung durch den starken Zuzug. Der Siedlungsraum ist begrenzt, der Grundstückspreis sehr hoch. Die Urbanisierung im Sinne hoher baulicher Verdichtung ist daher wesentlicher Bestandteil eines Stadtentwicklungsplans. Dies mit Know-how zu verbinden, um hohe Lebensqualität und Nachhaltigkeit auch für die kommenden Generationen zu garantieren, gehört zu den ständigen Herausforderungen eines solchen Plans, wie die frühere Stadtplanerin und Architektin Erika Schmeissner-Schmid formuliert hat. Seitens der Stadtplanung wird angegeben, dass Innsbruck ca. 7000 neue Wohnungen für Haupt-und Zweitwohnsitze braucht. Die Tiroler Landeshauptstadt soll als alpin-urbanes Zentrum gestärkt werden, mit Fokus auf Bildung und Wirtschaft. Zudem sieht sich Innsbruck vom Selbstverständnis her als touristisches Ziel, Kulturzentrum und Sportstadt. Insgesamt möchte die Stadtplanung unterschiedliche Aspekte gleichberechtigt nebeneinanderstellen, um nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten. Die Konzentration auf umweltbezogene, wirtschaftliche und soziale Ziele soll die Performance der Stadt in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht weiter sichern und vorantreiben.

Fläche sparen
Strategien zur flächenschonenden Stadtentwicklung sollen durch Umnutzung und Mehrfachnutzung sowie Umstrukturierung umgesetzt werden. Man möchte die bestehenden Flächen stärker nutzen und nicht weiter in die Peripherie dringen. Siedlungsinnenentwicklung wird gegenüber einem Randwachstum bevorzugt. Zudem sollen Dachgeschoßausbauten vermehrt umgesetzt und wenig bebaute Grundstücke stärker genutzt werden. So ist etwa die Nachverdichtung der Siedlung Pradler Saggen aus den Dreißigerjahren geplant. Statt 260 Wohnungen sollen hier künftig ca. 610 leistbare Wohnungen Platz haben. Auch die Überbauung bestehender Infrastruktur wie Supermärkte oder Tankstellen mit Wohngebäuden gehört in dieses Konzept. Neuwidmungen sollen einen geringeren Teil ausmachen, ebenso die Mobilisierung von Baulandreserven. Zentral ist ein Fokus auf öffentlichen Raum, funktionierende Freiflächen und Grünraum. Verkehrskonzepte sollen in Abstimmung mit den umliegenden Gemeinden erstellt werden, was eigentlich wie eine selbstverständliche Tatsache klingt, erfahrungsgemäß aber nicht immer funktioniert.

Integration
Ein zentrales Thema in Innsbruck ist die Integration der zahlreichen Zuwanderer. Sie gehört zur Agenda und ist Teil der Stadtplanung. Das Thema bedeutet für Wolfgang Andexlinger mehr als Organisation und Verwalten. Die neu Zuziehenden fordern Teilhabe. Wichtige aktuelle Stadtentwicklungsgebiete, die von kooperativen Verfahren begleitet werden, sind Hötting West und das Technikareal Kranebitten; die Straßenbahnlinie wird weitergeführt, eine grüne Schneise, ein neuer attraktiver Stadtteil in Universitätsnähe, entsteht. Ansiedlung von Start-ups in Universitätsnähe, Arbeiten und Wohnen sowie Sport sind hier wichtige Themen.

Auf dem Campagne-Areal im Stadtteil Reichenau sind für die kommenden Jahre 1000 Wohnungen geplant. Der Stadtsenat beschloss wegen der starken Veränderungen im Viertel die Einrichtung eines Stadtteilzentrums als Anlaufstelle für die Kommunikation mit der Stadt, außerdem als Plattform für verschiedene Themen und Raum für Begegnungsmöglichkeiten. Die Fakultät für Architektur hat, betreut von den Architekten Walter Brenner und Verena Rauch, einen offenen Studentenwettbewerb für die Planung ausgerichtet. Mittlerweile hat das Stadtteilzentrum eröffnet.

Neue Charaktere
Beachtung findet auch die Wandlung der Charakteristik von Stadtteilen, etwa in Wilten – der Stadtteil ist Übergangszone zwischen Innenstadt und Stift, teilweise altstädtisch geprägt mit hochqualitativen Lagen, andererseits mit harten Grenzen wie dem Südring. Image-Veränderungen und Neudeutungen verschiedener Stadtteile folgen im Zuge von baulichen Interventionen. Welche Maßnahmen für Qualität sorgen, ist stets Teil der Debatten. Innsbruck zieht für die Stadtplanung externe Beiräte hinzu, die helfen, den Blick zu schärfen. Es gibt einen alle zwei Wochen tagenden Sachverständigenbeirat für Stadt- und Ortsbildschutz, der hoch­wertig besetzt ist; Diskussionsstoff liefert etwa, wie neue Projekte in alten Strukturen Platz finden können, wie mit Erweiterungen umgegangen werden kann. Außer­dem arbeitet der Gestaltungsbeirat Innsbruck an Fragen nach Qualitätskriterien, die erreicht werden müssen.

Um die Allgemeinheit für Veränderungen in der Stadt zu sensibilisieren, können Stadtteilspaziergänge durchgeführt werden. Der Audiospaziergang „Solo für viele“ etwa hilft, zu neuen Betrachtungsweisen zu gelangen: Der eigene Blick verändert sich, man wird zum Beobachter in einem neuen Setting, fühlt sich nicht mehr wie in einer bekannten Stadt.
Auch an „kühlen Inseln“ in der Stadt wird gearbeitet, Fassadenbegrünung und Baumpflanzungen sollen helfen, die starken Temperaturanstiege im Sommer durch Asphalterwärmung und dichte Bebauung unter Kontrolle zu bekommen. Städtebauprofessorin Maria Schneider schlug außerdem eine Neukonzeptionierung des Südrings als Allee vor und hält solche Interventionen in Städten nicht nur für notwendig, sondern auch für realisierbar.

GRAZ
Graz geht einen besonderen Weg, was Stadtplanung mithilfe von Wettbewerben angeht. Das „Grazer Modell“ wird in einem eigenen Text von Stadtbaudirektor Bertram Werle in dieser Ausgabe beschrieben (ab Seite 12). Im Stadtentwicklungskonzept findet sich das Bekenntnis zum städtebaulichen Wettbewerb als wichtiger Garant für die Sicherung der Baukultur. Baukultur ist als deklarierter Standortfaktor in der steirischen Hauptstadt festgeschrieben.

Baukultur durch Wettbewerbe
Die Stadt bekennt sich grundsätzlich zu einer Aktivierung der Baukultur durch Wettbewerbe. Der Schwellenwert zur Durchführung eines Wettbewerbs liegt bei 3000 Quadratmetern, aber auch bei geringeren Größen kann die Stadt einen Wettbewerb empfehlen, wenn das Bauvorhaben für einen städtebaulich markanten Ort geplant ist. Seitens der Stadt werden in diesem Fall einstufige Realisierungswettbewerbe ausgelobt. Diese werden von geladenen Teilnehmern absolviert. Die Hälfte der Teilnehmer wird von der Stadt auf Basis eines Nominierungssystems der Architektenkammer gewählt, die andere von den Investoren. So steht einer Stärkung der Baukultur durch Wettbewerbe auf der anderen Seite die Mitbestimmung der Investoren in der Auswahl der teilnehmenden Architekten gegenüber. Bei größeren Verfahren, ab 15.000 Quadratmetern, werden offene, zweistufige Wettbewerbe vorgeschlagen.

Städtebauliche Relevanz
Private Bauprojekte unterliegen nicht dem Bundesver­gabe­gesetz mit Verpflichtung zur Wettbewerbs­aus­schrei­bung. Nachdem aber auch diese Projekte städtebaulich relevant sind, plädiert man in Graz auch bei kleineren Bauvorhaben für die Abhaltung eines Wett­be­werbs. Zu diesem Auswahlprozess kommt außerdem ein externer baukultureller Beirat zur Qualitätssicherung der Projekte hinsichtlich von Kriterien wie Städtebau, Nachhaltigkeit und Gestaltung. Seit 2018 wird zudem auf die Möglichkeit zur Abhaltung kooperativer Planungsverfahren für städtebaulich komplexe Aufgaben verwiesen. Als Vorstufe zu nach­folgenden Architekturwettbewerben binden sie eine breitere Öffentlichkeit in die Planungen ein.

Graz wird grüner
Die Stadt Graz fördert nach einem Beschluss des Gemeinderats seit April dieses Jahres Gemeinschaftsgärten, Beratung für und Errichtung von Dach- und Fassadenbegrünung, außerdem Pflanzungen von Bäumen in der Stadt. Diese Förderung zeigt ein Bekenntnis zu einer Stärkung des Umweltbewusstseins und die Anerkennung sozialer und ökologischer Aspekte des Urban Gardening. Eine klimafreundliche Gestaltung des Stadtraums wird so unterstützt.

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