Ein echtes Wiener Kaffeehaus ohne Marmortische ist ein Unding. Gleiches gilt für viele Hotels und Restaurants. Ob Hart- oder Weichgestein, bei anspruchsvollen Gestaltungen ist und bleibt der Naturwerkstoff das Maß aller Dinge. Naturstein ist nicht unkaputtbar, nicht perfekt nach den Kriterien eines standardisierten Massenproduktes, und doch besitzt er eine unnachahmliche Aura. Jeder Stein ist ein Stück Natur, ist ein klein wenig anders als der Stein zu seiner Linken oder Rechten, zeigt die Spuren der Zeit, will gepflegt werden, verlangt ein gewisses Maß an Achtsamkeit, aber genau das zeichnet ihn als Naturprodukt aus. So sehr sich die Hersteller von keramischen Werkstoffen auch bemühen, an die Anmutung des Naturbaustoffs kommen sie nie heran. Selbst die aufwendigsten industriellen Verfahren scheitern bei dem, was Mutter Natur ohne menschliches Zutun geschaffen hat. Ein Cocktail verschiedenster Mineralien, unermesslicher Druck ganzer Bergmassive, sehr viel Zeit, oft auch ein spontaner Zufall – das sind die Zutaten des Rezepts. Daraus entstand eine beeindruckende Vielfalt an Steinen. Tiefschwarz schillernd, strahlend weiß, unifarben oder lebhaft strukturiert, größer als jede Speisekarte ist das Angebot, aus dem Architekten und Auftraggeber schöpfen können. Neben den Klassikern, die bereits in der Antike geschätzt wurden, kommen dank ressourcenschonender Abbau- und Verarbeitungsmethoden ständig neue Sorten hinzu. Der schonende, verantwortungsvolle Umgang mit den Ressourcen ist eines der Erfolgsgeheimnisse, das gilt allgemein für die Architektur, vor allem aber auch für die Gestaltung von Gasträumen und Küchen. Wer mit Naturstein plant, überlegt genau, wofür er welches Material auswählt. Ein poröser Vulkantuff macht eine gute Figur als Fassadenbekleidung, für einen Bistrotisch taugt er weniger. Für jede Anwendung ist abzuwägen, welche spezifischen technischen und optischen Anforderungen gelten, dann erst sollte ein dazu passendes Gesteinsmaterial ausgesucht werden. Gleiches gilt für Dimensionierung und Oberfläche. Flächen als Blickfang und mit rein optischer Funktion können aus eher weichen, hinterleuchtbaren Steinen wie Onyx gefertigt werden oder auch stärker strukturiert sein, beispielsweise als spaltraue Flächen oder mit maschinell eingearbeiteten Rillen. Für Tische und Theken, mit denen Gäste permanent in direktem Hautkontakt sind und die aus hygienischen Erfordernissen täglich gereinigt werden, sind neben der Politur matt geschliffene und satinierte Oberflächen empfehlenswert.
Naturstein macht die Gäste glücklich
Anspruchsvolle Gastgeber setzen auf die Qualitäten von echtem Stein. Neben seinen optischen Vorzügen machen ihn auch die technischen Eigenschaften zur ersten Wahl in der Gastronomie und in privaten Küchen. Besonders die Vielfalt bei Farben und Formen begründet den guten Ruf von Naturstein als Klassiker unter den Werkstoffen.
Ein Werkstoff mit Aussage
Naturstein ist ein sehr aussagekräftiges Material und steht auch im übertragenen Sinn für Permanenz und Haltbarkeit. Eine Theke aus Naturstein drückt aus, dass hier bewusst für eine lange Nutzungsdauer investiert wurde, erklärt Architekt und Interior Designer Erich Bernard von BWM Architekten. Wichtigstes Kriterium für den Gestalter ist die Funktionalität. Erfüllt die Gesteinsauswahl die technischen Anforderungen, wird die ästhetische Komponente geprüft. Jeder Naturstein hat eine spezifische Aussage, erzählt dem Betrachter seine eigene Geschichte. Ein römischer Travertin ruft Erinnerungen an einen Italienurlaub hervor, ein dunkelblau funkelnder Labradorit strahlt die Kühle Skandinaviens aus. Österreichische Klassiker wie Adneter und Untersberger Marmor, lebhafter Sölker Marmor, ruhiger Wald- und Mühlviertler Granit oder beiger St. Margarethener Kalksandstein hingegen sind Natursteine, die uns seit Generationen begleiten und regionale Identität vermitteln. Ein eigenes Kapitel ist die Haptik; die Oberfläche ist der Berührungspunkt, an dem der Mensch mit der Architektur zusammenstößt. Material und Oberfläche müssen zueinander passen, denn wie jedes Material ist Naturstein ein Vermittler und Träger von Emotionen. Daher ist diese nur Bruchteile von Millimetern dünne Kontaktzone zwischen der menschlichen Haut und dem architektonischen Objekt besonders in der Gastronomie und der Küchengestaltung so entscheidend.
Das Premiumsegment boomt
Als Orte des Genusses und der Sinnenfreude rücken bei der Gestaltung von Küchen und Gasträumen hochwertige, naturbelassene Baustoffe immer stärker in den Vordergrund. Das bestätigt die Geschäftsführerin der Breitwieser Stone World, Kristina Breitwieser.
Bei der Küchengestaltung sieht sie einen Trend zu dunklen Farbtönen. Schwarz, Dunkelbraun und Grau dominieren, das Design ist betont elegant und wird mit Arbeitsplatten mit matter Oberfläche ergänzt. Bei den Materialien fällt die Wahl oft auf Granite oder Quarzite. Gerade die matten Oberflächen tragen zum Wohlfühlfaktor bei und vermitteln – gerne gepaart mit Holz – den Eindruck von Natürlichkeit. Zusätzlich zur seidenmatten Haptik sind die leicht angerauten Oberflächen im Streiflicht weniger anfällig gegen Fingerabdrücke. Die Trends in der Hotellerie zeigen in eine andere Richtung, denn dort werden zunehmend Naturstein-Legenden wie Statuario und Calacatta mit dunklen Marmorsorten zu klassisch-eleganten Interieurs kombiniert, die den exklusiven Anspruch des jeweiligen Hauses hervorheben. Marmor und Kalkstein sind bei Weitem nicht die einzigen Natursteine, die in der Premium-Gastronomie eine ausgezeichnete Figur machen.
Hommage an ein Kunstwerk
Einen der radikalsten Wege beim Küchendesign geht der oberösterreichische Designer Martin Steininger mit seiner Küche Rock. Sechs Millimeter dünne Steinpaneele auf Aluminiumprofilen bilden die Außenhülle. Damit nichts die geschlossene Geometrie stört, sind alle Steinflächen auf Gehrung gearbeitet. Rock ist eine bewusste Hommage an die schnörkellosen, strengen Kuben von „Minimal Myth“ von Donald Judd und vereint die Merkmale einer Küche mit der Anmutung einer Installation im Raum. Jedes Exemplar ist ein Unikat, denn Rock erlaubt unterschiedliche Aufstellungen – entweder als monolithischer Block oder in Gestalt von vier separaten Blöcken, mit wenigen Zentimetern Abstand getrennt voneinander aufgestellt. Jeder Kubus erfüllt dabei eine spezifische Funktion als Herd, Spüle oder Arbeitsfläche. Das Innenleben der Einzelstücke wird individuell und in Handarbeit auf jeden Kunden abgestimmt. Die in Zusammenarbeit mit Alberto Minotti gestaltete Küche wurde 2016 mit dem German Design Award vom Rat für Formgebung ausgezeichnet.
Interview. Die Küche steht im Mittelpunkt
Mit dem Design von Küchen hat sich der Oberösterreicher Martin Steininger international einen Namen gemacht. Nach Modellen aus Beton und Aluminium beweist der Interior Designer des Jahres 2017 mit einer Steinküche, wie puristisch und funktional sich mit Naturstein gestalten lässt.
Welche Trends sehen Sie im Bereich Küche und Gastronomie?
In der modernen Küche – sowohl im privaten als auch im gastronomischen Bereich – geht der Trend ganz allgemein in Richtung natürliche Materialien. Als ein Werkstoff direkt aus der Natur punktet Naturstein daher bei jeder Art von Arbeitsplatten. Neben den optischen Qualitäten bestechen Natursteine durch ihre hygienischen und pflegeleichten Oberflächen. Besonders im Privatbereich ist die Küche der Mittelpunkt der Kommunikation. Hier wird geredet, gelacht, gefeiert, diskutiert und natürlich auch gekocht. Dafür brauchen wir einen Raum, der dies mit seinen Materialien und seiner Gestaltung nicht einschränkt, sondern unterstützt. Naturstein ist hierfür bestens geeignet.
Was schätzen Sie persönlich am Werkstoff Naturstein?
Arbeitsplatten aus Naturstein zählen zu den nachhaltigsten Produkten unseres Planeten. Wesentliche Vorteile von Naturstein sind seine Langlebigkeit und enorme Widerstandskraft. Darüber hinaus sind Arbeitsplatten aus Granit, Gneis und Quarzit absolut hitzebeständig sowie kratz- und schnittfest. Ein besonderer Aspekt für mich als Designer ist die Einzigartigkeit des Materials. Jeder Stein ist ein Unikat und macht somit auch die Küche, die ich daraus plane, zu etwas ganz Besonderem. Ein wichtiges Hilfsmittel für individuelle Planungen ist der Einsatz von modernster Computer- und Maschinentechnik. Bereits im Entwurfsprozess können wir die Textur des Rohmaterials berücksichtigen und in die Gestaltung einbeziehen.
Ist Naturstein ein Prestige- oder ein Vernunftmaterial?
Durch seine Einzigartigkeit vereinigt Naturstein beide Komponenten. Einerseits ist Naturstein wegen seiner langen Geschichte als Baustoff für Repräsentationsbauten ein Prestigematerial, das zeigt beispielsweise die Verwendung von Marmor in Prunkschlössern und Palästen. Aufgrund seiner Langlebigkeit, Widerstandsfähigkeit und auch aufgrund hygienischer Aspekte ist Naturstein aber auch ein Vernunftmaterial.
Wie gewichten Ihre Auftraggeber Image, Design und Funktionalität?
Alle drei Faktoren sind sehr wesentlich und müssen bei jedem Projekt individuell aufeinander abgestimmt sein. Ein pauschales Rezept gibt es hierfür nicht.
Wohin geht die Entwicklung bei Formen und Farben?
Der Trend geht ganz allgemein in Richtung Natürlichkeit und eines Lebens im Einklang mit der Natur. Bei den Gestaltungen herrschen klare, schlichte Linien vor. Grau in allen Schattierungen war 2018 bei Küchenplatten aus Naturstein die absolute Trendfarbe.
Was beachten Sie beim Design mit Naturstein gegenüber anderen Werkstoffen?
Naturstein verhält sich anders als der Werkstoff Holz. Naturstein muss mit Bedacht eingesetzt werden, da er aufgrund seiner Materialeigenschaften anspruchsvoll in der Verarbeitung ist. Beispielsweise besitzt Granit eine hohe Dichte und ist resistent gegen hohen Druck, reagiert aber abhängig von der Plattenstärke empfindlicher auf Biegezug. Das gilt es bei der Dimensionierung der Platten und der Unterkonstruktion zu beachten. Ein weiteres Thema sind Kanten und Ecklösungen, besonders bei spröden Steinsorten. Hier sind Erfahrung und eine enge Abstimmung zwischen Designer und Handwerker erforderlich, damit ein Entwurf im ausgeführten Zustand nicht nur attraktiv, sondern auch für einen langen Zeitraum belastbar ist. •
Informationen
steininger-designers.at
Den Artikel als PDF können Sie hier herunterladen.
- Filigranes Tor
- Bildung ist ein hohes Gut