In Kolumbien kam es erst jüngst zum Einsturz der Chirajara-Brücke, die sich noch in Bau befindet. Ein über 200 Meter langes Teil der an Stahlseilen befestigten Brücke – mit einer Spannweite über 446 Meter – stürzte plötzlich ab. Ob Berechnungsfehler oder Materialschwäche, die Ursache für den verheerenden Unfall ist noch ungeklärt.
Fakt ist, dass die Sicherheit bei Bauwerken oberste Priorität hat und gleichzeitig die Anforderungen kontinuierlich steigen. In Hinblick auf die Möglichkeit der Vorhersage eines Versagens ist entscheidend, ob es plötzlich auftreten kann oder ob es sich vorher ankündigt. Gebäude und Infrastrukturbauwerke werden hoch beansprucht, sei es durch steigende Verkehrseinwirkung, Bauwerksalterung, Naturgefahren oder auch dynamische Lasten. Dadurch erhöhen sich die Anforderungen an die Baudynamik bei bestehenden wie auch bei neuen schwingungsanfälligen Bauwerken. Schwingungen und daraus resultierende dynamische Effekte beeinflussen das Tragverhalten, die Lebensdauer sowie die Gebrauchstauglichkeit von Gebäuden.
Realistische Simulationen
Das AIT Austrian Institute of Technology untersucht die Bauwerkssicherheit von Tragwerken wie z. B. Brücken, um ihre Belastbarkeit gegen verschiedenste Einwirkungen und dynamische Lasten zu evaluieren. Für eine optimierte Instandhaltungsplanung ist es wichtig, den aktuellen Bauwerkszustand zu bewerten. Unter Einbeziehung von Messtechnik, numerischen Simulationen und Bewertung von Messunsicherheiten ist es möglich, zuverlässige Lebenszyklusprognosen zu erstellen. Dabei finden auch neuartige Methoden wie probabilistische Bewertungen oder Kompensation der Zuverlässigkeit durch Einsatz von Messtechnik ihre Anwendung. Essenzielle Bauwerke und Brücken können mittels Dauermonitoring zur Unterstützung der Bauwerkserhaltung überwacht werden. Eine permanente Installation von Sensoren ermöglicht eine kontinuierliche Datenaufzeichnung, Datenübertragung per Funk, automatisierte Datenauswertung und Messberichterstellung sowie Versendung von Warnungen im Falle von Grenzüberschreitungen. Am AIT wurden spezielle Kombinationen aus verschiedenen Messmethoden unter Anwendung von neu entwickelten Analysealgorithmen entwickelt, um umweltbedingte Einflüsse (z. B. Temperatur) zu kompensieren. Damit können Schäden bereits in der Frühphase noch besser erkannt und behoben werden, um so die Erhaltungsplanung von Brückenbauwerken zu unterstützen.
Schwingungen messen & interpretieren
Die Nutzbarkeit der Infrastruktur unter verschiedenen dynamischen Belastungen ist ein weiterer Fokus der Forschung am AIT. Zu den Kernkompetenzen zählen hier die Bewertung und Minderung von Schwingungsproblemen und Erschütterungseinwirkung auf Mensch, Gebäude und Umwelt. Durch die wachsende Sensibilität der Bevölkerung gegenüber Erschütterungen sowie durch baudynamische Vorgaben gewinnen Erschütterungsprognosen zunehmend an Bedeutung.
Bei einem Krankenhaus wird beispielsweise der Erschütterungsschutz bei unmittelbarer Nähe zu einer Bahntrasse bereits in die Planung mit aufgenommen. Die Erschütterungen und Schwingungen durch vorbeifahrende Züge können medizinische Geräte in ihrer Funktion massiv beeinträchtigen oder störend auf die Patienten wirken. Auch Bautätigkeiten, welche Schwingungen im Boden verursachen, müssen gerade im dicht verbauten Gebiet mit Vibrationsmessungen überwacht werden. Mit MoSeS, dem Mobile Seismic Simulator, steht den Forschern des AIT ein hoch entwickelter Schwingungsgenerator für Messungen direkt an den betroffenen Objekten zur Verfügung. Diese Tests dienen zur Bestimmung der dynamischen Tragwerkscharakteristik sowie zur Bewertung und damit auch der Untersuchung von Schwingungsproblemen. Dazu werden Schwingungen gezielt in Boden oder Bauwerk eingebracht sowie Eintrag und Reaktion (Beschleunigung, Schwingschnellen, Wellenausbreitungsgeschwindigkeiten …) gemessen, woraus sich die dynamischen Parameter ermitteln lassen. Es können so auch Erschütterungen in skalierter Form mit vorher aufgezeichneten Zugsvorbeifahrten auf den Untergrund aufgebracht, deren Eintrag (Emission) und Schwingungsantwort an relevanten Stellen (Immision) gemessen und daraus Erschütterungsprognosen als Grundlage für die Planung des Erschütterungsschutzes abgeleitet werden.