Was wir bei Gebrauchsgütern zumindest schon versuchen umzusetzen, ist in der Bauindustrie teilweise noch Konzept. Doch gerade im Baubereich ist die nachhaltige Nutzung von Ressourcen ebenso relevant wie notwendig. In Österreich fielen im Jahr 2017 11,7 Millionen Tonnen mineralische Bau- und Abbruchabfälle an. Etwa 85 % wurden einer Behandlung bzw. Verwertung zugeführt, der Rest vorwiegend deponiert. Baustahl wird gemäß der Information des Stahlbauverbandes in Österreich derzeit zu ca. 88 % einem Recycling zugeführt.
Recycling versus Wiederverwendung
Recycling, das heißt die Aufbereitung und der Wiedereinsatz auf Materialebene, bedeutet oft eine energieintensive und aufwendige Behandlung eines Baustoffes. Die Wiederverwendung hingegen ist eine Stufe davor angesiedelt, da Produkte bzw. Produktteile in einem noch nicht zerstörten und damit höherwertigen Zustand einer neuen Nutzung und einem neuen Lebenszyklus zugeführt werden. Experten schätzen das anzustrebende Reuse-Potenzial bei derzeitigen Abbruchprojekten auf max. 10 % der Abbruchmasse ein, in der Praxis liegt der Wert zurzeit sogar noch deutlich unter 5 %. Höhere Raten sind erst in einigen Jahrzehnten zu erwarten und auch nur dann, wenn wir jetzt schon beginnen, unsere Gebäude dahingehend auszulegen, sprich rückbaufähig zu gestalten. Bereits in den 70er-Jahren begann die Idee des „Design for Recycling“, ein Konzept, das darauf abzielte, umweltgefährdende und nicht recycelbare Materialien durch vorausschauendes, adäquates Design aus dem Produktionsprozess zu entfernen. Die konsequente Weiterentwicklung stellt das „Design for Reuse“-Konzept dar, nämlich Produkte so haltbar und gut reparierbar zu machen, dass diese mit höchster Effizienz und damit in vielen Zyklen der Wiederverwendbarkeit genutzt werden sollten.
Das Konzept der Kreislaufwirtschaft
Die Transformation in die Kreislaufwirtschaft möchte dem linearen Ressourcenverbrauch entgegenwirken und zielt darauf ab, den Kreislaufgedanken von einer Nischenindustrie in den Mainstream zu bringen. Dies gilt auch für die Baubranche. In einer gelebten Kreislaufwirtschaft sollten Gebäude möglichst zerstörungsfrei rückbaufähig sein. Die derzeitigen Baustrukturen und Materialkonstellationen erschweren aber diesen Ansatz. Die Komplexität der Zusammensetzung von Baustoffen und Materialmischungen sowie die Vielfalt von Materialverbunden haben in den letzten 200 Jahren rapide zugenommen. Dabei stellen inerte Gläser und Metallbauteile geeignete Materialien dar, die weitgehend zerstörungsfrei auseinandergenommen werden können und damit nicht ausschließlich einem Materialrecycling, sondern auch verstärkt einem Reuse zugeführt werden könnten. Die Europäische Union hat im März 2020 im Rahmen des „Green New Deals“ einen neuen Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft verabschiedet. Ziel ist es, dass genutzte Ressourcen so lange wie möglich in der EU-Wirtschaft verbleiben sollen. Durch die Kreislaufwirtschaft sollen Verbrauchs- und Produktionsmuster im Hinblick auf eine klimaneutrale und wettbewerbsfähige Wirtschaft ausgerichtet werden. Gebäude weisen durch ihren hohen Materialbedarf ein bedeutendes Potenzial zur Ressourcenreduktion durch Kreislaufwirtschaft auf.
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Maximale Ressourceneffizienz
Was braucht es also im Bausektor, um den Produkt- und Materialkreislauf zu optimieren und die Ressourceneffizienz zu erhöhen? In der Planung stehen die Reduktion des Gesamtenergieverbrauchs über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes, einschließlich Betriebsenergie und Energie von Produkten und Bauprozessen, sowie die Verringerung des Materialverbrauchs und die damit verbundenen Umweltauswirkungen im Vordergrund. Ein durchdachtes Design, bei dem der Ressourcenverbrauch gegen die Funktionen des Gebäudes abgewogen und Szenarien für die Dekonstruktion berücksichtigt werden, bilden eine wesentliche Grundlage. Darüber hinaus ist der verstärkte Einsatz ressourcen- und energieeffizienter Produkte unabdingbar. Dabei sollten die Haltbarkeit von Bauprodukten, der recycelte Inhalt sowie die Recyclingfähigkeit und Wiederverwendbarkeit von Baumaterialien und -produkten berücksichtigt werden. Auf der Produktionsseite steht die Förderung einer ressourcenschonenderen Herstellung von Bauprodukten im Vordergrund. Dies kann durch Verwendung von Recyclingbaustoffen, die Wiederverwendung vorhandener Bauteile und auf letzter Ebene die Nutzung von nicht mehr stofflich verwertbaren Abfällen als Ersatzbrennstoff erzielt werden. Benötigt werden vor allem aber auch neue und erweiterte Geschäftsmodelle, die Dienstleistungen verstärkt in den Vordergrund stellen, wie z. B. die Rücknahme von Materialien, Schulungen und Informationstransfer sowie die Zusammenarbeit und der Austausch mittels Plattformen und Netzwerken.
Planen für das zweite Leben
Der gesamte Lebenszyklus eines Bauwerks muss damit schon zu Beginn der Planung berücksichtigt werden, um eine höchstmögliche Ressourceneffizienz zu erzielen. Damit nähern wir uns dem Ziel einer gelebten Kreislaufwirtschaft an. Um dies Wirklichkeit werden zu lassen, braucht es nicht nur Forschung im Bereich des technischen Recyclings und der Wiederaufbereitung von Materialien, sondern insbesondere auch analytische Werkzeuge, wie z. B. Material-Pässe für Gebäude und die Abbildung im BIM (Building Information Modeling), als Grundlage eines optimierten Rückbaus von Gebäuden sowie umgesetzte Best-Practice-Beispiele und Bewusstseinsbildung. Ideen kann man sich dabei z. B. vom Baukarussell holen, das ein funktionierendes Wertschöpfungsmodell der Kreislaufwirtschaft darstellt. Das System zielt darauf ab, einen zirkulären Ansatz im Rückbau mit einem sozialen Mehrwert zu verbinden, sogenanntes „Social Urban Mining“. Ein zweites (Material)Leben von Glas, Metall und anderen Baustoffen ist demnach möglich, Planen für die Wiederverwendung ist dabei essenziell. Baupläne sollten wir in Zukunft nicht nur für die Errichtung, sondern auch für die Dekonstruktion des Bauwerks entwickeln.
Informationen
baukarussell.at