351 Portraits

Stark zurückgenommen

© Marte.Marte Architekten
Bernhard (links) und Stefan Marte
© Marte.Marte Architekten

Die Architekten Bernhard und Stefan Marte über die Geschichte des „Hitler-Geburtshauses“ und die speziellen Herausforderungen beim Umgestaltungswettbewerb.

von: Barbara Jahn

Was hat euch gereizt, bei diesem Wettbewerb mitzumachen?
Die Auseinandersetzung mit denkmalgeschützten Gebäuden hat uns immer schon fasziniert. Historisch Wertvolles zu be­wahren, mit zeitgenössischen Mitteln zu ergänzen und weiterzudenken ist eine der größten Herausforderungen für uns als Architek­ten. Die Geschichte des Hauses in der Salzburger Vorstadt reicht bis ins Spätmittelalter zurück, der angemessene Umgang mit dem historischen Bestand und den heute noch sichtbaren Eingriffen aus der Zeit des Nationalsozialismus stellt eine große Herausforderung dar.

Wie habt ihr den Spagat geschafft zwischen Historie und neuer Bestimmung?
Das Haus Salzburger Vorstadt 15 ist auf den ersten Blick ein Haus wie viele andere in Braunau. Entstanden ist es Mitte des 18. Jahrhunderts durch die Zusammenlegung von zwei für Braunau typischen Seitenflurhäusern aus dem 17. Jahrhundert. Eine Liegenschaft mit langer und bewegter Geschichte. Vom Bürgerhaus zum Gasthaus mit Brauerei­gebäude und Kegelbahn, bis hin zu Adolf Hitlers Geburtshaus. Vom Reichsleiter Martin Bormann für die NSDAP 1938 erworben, sollte das Haus zu einer „würdigen Gedenkstätte“ werden. Das Haus wurde von der nationalsozialistischen Propaganda zum „Führergeburtshaus“ hochstilisiert, es folgte ein mehrjähriger Planungs- und Umbauprozess. Das heutige Erscheinungsbild der Salzburger Vorstadt 15 ist zu großen Teilen das Ergebnis dieser Baukampagne. Der Dachstuhl wurde 1940 in der heutigen Form errichtet, neue Fenster in der repräsentativen Hauptfassade eingebaut, von 1938 bis 1942 fand der vollständige Abbruch des Hinterhauses und damit des Brauereigebäudes statt. Wir haben uns sehr intensiv mit der jahrhundertelangen Geschichte dieses Ortes beschäftigt. Die Geburt Hitlers und die Zeit des Nationalsozialismus bestimmen aus dieser Perspektive gesehen nur kurze Zeitstrecken in der langen und bewegten Geschichte der Salzburger Vorstadt 15. ­Aus diesem Grund beschränken wir uns nicht nur auf den Rückbau der Veränderungen aus der Zeit des Nationalsozialismus, sondern widmen uns sehr stark dem Herausarbeiten der Grundstruktur der beiden ursprünglichen Seitenflurhäuser und der Neuinterpretation der für diese Zeit typischen Fassaden.

Was ist der Leitfaden eures Konzepts?
Unser Konzept beschäftigt sich im Wesentlichen mit dem Weiterbauen des historischen Bestandes. Es soll nicht ein Neben­einander von Alt und Neu werden, sondern ein Miteinander. Eine spannungsvolle Gesamtanlage wird die neuen Nutzungen aufnehmen und ein neues Kapitel in der langen Geschichte der Salzburger Vorstadt 15 aufgeschlagen.

Welche Gedanken haben euch bei eurem behutsamen Entwurf geleitet?
Die lange schmale Parzelle der Salzburger Vorstadt 15 eignet sich ideal für eine zeitgenössische Interpretation des Braunauer Seitenflurhauses. Die äußere Erscheinung zeigt sich im Sinne der alten Bürgerhäuser einfach und schmucklos. Fast schon skulptural, wie aus einem weißen Stein gehauen, soll sich die Gesamtanlage homogen aus dem historischen Vorderhaus in das neue Hinterhaus und das Nebengebäude ent­wickeln. Die Typologie der historischen Fenster wird auf die zeitgenössischen Bauvolumen übertragen. In ihrer Ausdehnung etwas größer, übernehmen sie die Proportionen der historischen Rechteckfenster und werden ebenso waagrecht, lotrecht und diagonal ausgerichtet. Die neue Dachlandschaft wird bestimmt von einer Abfolge giebelständiger Satteldächer.

Ein Gebäude macht immer etwas mit seiner Umgebung. Was wird dieses nun machen?
Was könnte an diesem Ort, eingebunden in der wunderschönen Altstadt von Braunau, richtiger sein als die Besinnung auf das Wesentliche? Das Konzept beruht auf dem Weiterdenken der historischen Bausubstanz in einer minimalistischen Architektursprache. Das Gebäude wird durch seine typologische Anlehnung an die traditionelle Bauweise in Braunau die Struktur der Altstadt um ein wichtiges Passstück ergänzen.
 
Was war die größte Herausforderung bei diesem wohl einzigartigen Projekt?
Die größte Herausforderung war es, sich von der Fragestellung nicht zu sehr beeindrucken zu lassen. Bei der ersten Besichtigung in Braunau hatten wir schon die eine oder andere ausdrucksstarke Entwurfsidee. In der weiteren Beschäftigung mit dem Thema hat sich dann aber schon bald gezeigt, dass wir uns bei diesem Projekt mit unserem architektonischen Gestaltungs­willen sehr stark zurücknehmen müssen.

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