wettbewerbe: Sie sind seit 31 Jahren im FachverbandSteine-Keramik und seit 29 Jahren dessen Geschäftsführer.Wie haben sich in dieser Zeit die Baustoffindustrieund die Bauwirtschaft verändert?
Hennrich: Unserer Branche ist es gelungen, den enormgestiegenen Anforderungen an das Baumaterial weitgehendzu entsprechen. Wir haben ein gerüttelt Maß beiEntwicklung geleistet, es ist den Herstellern gelungen,die grundlegenden Anforderungen laut Bauproduktenrichtliniezu erfüllen. Das gilt insbesondere für den Brand-, Schall- und Wärmeschutz, obwohl bei letzteremam meisten zu tun ist, um auf die EU-2020-Ziele zukommen. Insgesamt also ein positives Zeugnis, weil die Firmen wissen, dass Stillstand Rückschritt ist und sie gezwungen sind, ständig neue Produkte auf den Markt zu bringen, die nicht nur das Auge des Konsumenten befriedigen, sondern diese Anforderungen zu hundert Prozent erfüllen müssen.
wettbewerbe: Welche Anforderungen werden das in Zukunft sein?
Hennrich: Die ganz große Überschrift ist die Nachhaltigkeit. Der haben wir uns alle verschrieben. Wir sind national und international an der Entwicklung der Nachhaltigkeit im Gebäudesektor beteiligt. Die Anforderung der Zukunft wird darin bestehen, nicht allzu komplex bei der Gebäudehülle zu werden, um die Bauwirtschaft nicht vor allzu große Probleme zu stellen, sondern im Sinne der Kreislaufwirtschaft einfache Bauteile und Systeme zur Verfügung zu stellen, die leistbares Wohnen garantieren, aber auch den Anforderungen an Brand-,Schall- und Wärmeschutz entsprechen.
wettbewerbe: Wie haben sich im Zuge dieser Entwicklungen der Baustoffe die Anforderungen an Planer und Architekten entwickelt?
Hennrich: Die Architekten sind gefordert, den Spagat zwischen kostengünstigem Bauen und zeitgemäßem Design von Gebäuden zu überbrücken und den Boden der Realität nicht zu verlassen. Es wird einerseits verlangt, den Weg der einfachen Kubaturen im Wohnbau zu verlassen und ihm ein zeitgemäßes Gesicht zu geben, andererseits soll das Wohnen leistbar bleiben.
wettbewerbe: Wie können Planer und die Industrie diese Brücke gemeinsam errichten?
Hennrich: Das kann nur durch totale, frühzeitige Kooperation zwischen Bauherren, Planern und der ausführenden Bauwirtschaft gelingen. Es sollte vermieden werden, dass jeder am Bau Beteiligte nur seinen eigenen Bereich sieht, sondern durch frühzeitige Abstimmung angesichts der geringen Mittel im Wohnbau das Beste herausholt.
wettbewerbe: Sehen Sie das Instrument der Wohnbauförderung gefährdet?
Hennrich: Ich denke, dass es zu einer intensiveren Diskussion um die Wohnbauförderung kommen wird. Nicht, weil die Politik nichts mehr damit zu tun haben will, sondern weil der Trend offenbar in Richtung Umstellung des Steuer- und Abgabesystems - Stichwort Flat Tax - geht. Bei der Durchforstung des Wildwuchses an einzelnen Steuern könnte auch die Wohnbauförderung umgestellt werden. Tatsache ist aber, dass Wohnen ein Grundrecht der Bürger darstellt und daher wird es in Österreich mit seiner Fördermentalität auf Jahre hinaus nicht ohne Fördermaßnahmen des Bundes und der Länder für den sozialen Wohnbau und des gemeinnützigen Sektors gehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Bund und Länder und die etablierten Parteien, die den Wohnungssektor stark beeinflussen, im neuen Finanzausgleich 2015 von der Wohnbauförderung verabschieden wollen. Österreich hat einen sehr hohen Standard, wenn es Probleme gibt, dann im unteren Einkommensdrittel. Das ist die Zielgruppe für den heutigen sozialen Wohnbau. Die Mittelschicht wird zum frei finanzierten Wohnbau mit Stützungsmaßnahmen tendieren.
wettbewerbe: Vor welchen Herausforderungen steht die Industrie auf der Produktionsseite?
Hennrich: Ich wünsche mir, dass die große Unsicherheit, die die bevorstehende Energiewende mit sich bringt, behoben wird. Auch bei der Produktion unserer Baustoffe wird der Ausstieg aus fossilen Energieträgern gefordert, es bietet uns aber niemand Konzepte, wie das kostengünstig gehen könnte. Technisch sind wir heute noch nicht in der Lage, die notwendigen Prozesse mit erneuerbaren Energieträgern zu einigermaßen vernünftigen Rahmenbedingungen herzustellen. Beim Design unserer Produkte müssen wir stärker als bisher auf eine einfache Wiederverwertbarkeit Bedacht nehmen. Unsere mineralischen Baustoffe haben da sehr gute Karten.
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