Ein massiver Ziegelbau, vorwiegend mit ökologischen Materialien errichtet und ohne Vollwärmeschutz an der Fassade. Dafür mit einer in alter Bautradition hergestellten Wellenfassade aus Kalkputz. Bei diesem Zweigenerationenhaus in einem ruhigen Gebiet im niederösterreichischen Perchtoldsdorf sorgt nicht nur der Putz für natürliches Klima im Innenraum, sondern auch geölte Holzböden aus heimischer Eiche sowie europäischer Kalknaturstein für die Nassräume und Terrassen. Baulich stellte sich bei diesem Projekt die Herausforderung, innerhalb einer schmalen Parzelle mit gekuppelter Bauweise den Anforderungen für zwei Wohnräume gerecht zu werden. Das dreigeschoßige Haus wurde für zwei Generationen einer Familie geplant. Es ist aber so konzipiert, dass es auch von zwei unabhängigen Parteien bewohnt werden kann. Vom gemeinsamen Eingang der Villa gelangt man zu den Wohnräumen mit Verbindung zum Außenraum. Im Erdgeschoß liegt die kleinere der beiden Wohnungen, die größere ist eine Maisonettewohnung in den zweiten Stock. Rechte Winkel findet man hier kaum. Vielmehr ist der Grundriss ein Spiel von zwei Winkeln – einem 90-gradigen und einem leicht abweichenden, komplementären. Diese Spannung ist nicht nur in den geschoßweise versetzten Grundrissen mit ihren Vor- und Rücksprüngen deutlich, man spürt sie auch im gesamten Baukörper. Dieser ist geprägt von großen verglasten Fassaden, die auf allen Ebenen, vor allem aber im letzten Geschoß der Penthousewohnung, Sichtbeziehungen in die angrenzenden Weinberge bieten.
Handwerk ohne Tradition
Die Fassadenausführung – händisch in mehreren Schichten aufgebrachter und mit einer Schablone abgezogener Putz statt eines Vollwärmeschutzes aus Polystyrol und Standardfarben – stellte nicht nur den Architekten Jan Proksa, sondern auch die Bauherren auf eine Geduldsprobe. Anlässlich eines Besuchs in Prag entdeckte der Architekt diese alte Technik des gezogenen Gesimses, die über Hunderte Jahre immer wieder für Gesimse, Stürze, Fassadenteilungen genutzt wurde und die man heute noch bei vielen Gründerzeithäusern sieht, und beschloss, diese im modernen Stil wieder aufleben zu lassen. Nachdem die Bauherren von dieser kostenintensiven Fassadenausführung überzeugt werden konnten, mussten Handwerker gefunden werden, die die zeitaufwendige Technik des händisch aufgebrachten, geraden Putzes noch beherrschten. Sinkende Temperaturen im Winter machten darüber hinaus eine Verzögerung notwendig. Als Werkzeug wurde eine Schablone aus Stahl und Führungsschienen verwendet. Nachdem die Handwerker eine bestimmte Stärke an Putz händisch aufgetragen haben, mussten sie die Form mit der vorbereiteten Schablone abziehen. Es handelt sich um reinen Kalkputz in zwei Schichten. Als erste Schicht wurden 20 Millimeter Kalkputz aufgetragen, anschließend eine Schicht von fünf bis 30 Millimeter. Den Abschluss bilden Feinputz und eine Lasur als Farbschicht. Das Resultat ist eine Fassade, die über Tiefe und Plastizität verfügt und deren Oberfläche dem Baukörper Struktur verleiht.
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