Trotz unterschiedlicher Sichtweisen ist es möglich, Nachnutzung und Nachverdichtung mit den Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz unter einen Hut zu bringen.
Nachhaltig zu bauen heißt energieeffizient zu bauen. Doch was ist eigentlich Nachhaltigkeit? Laut Duden ist Nachhaltigkeit das "Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren ,künftig wieder bereitgestellt werden kann". Im Sinne der Ökobilanz werden Produkte auf ihre Umweltwirkung in Bezug auf die Lebensdauer untersucht. Im Bauwesen bedeutet Nachhaltigkeit daher, Baustoffe zu verwenden, die bei ihrer Gewinnung, ihrem Einsatz und ihrem Recycling den geringst möglichen ökologischen Fußabdruck hinterlassen.
Politik als Impulsgeber
Für Ingrid Felipe, Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreterin und in der Landesregierung zuständig für Nachhaltigkeitskoordination, taugt die Nachhaltigkeit vor allem gut als Lippenbekenntnis. Geht es in die Umsetzung, würde es schwierig werden, meinte die grüne Politikerin anlässlich einer Podiumsdiskussion, die vom architekturjournal wettbewerbe gemeinsam mit der Plattform BAU MASSIV in Innsbruck veranstaltet wurde. Doch auch wenn es bei der Umsetzung hapert, glaubt Felipe nicht, dass allumfassende Regulierungen seitens der Politik daran etwas ändern. Vielmehr sei es Aufgabe der Politik, "Impulsgeber" zu sein und Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Vorzeigeleistungen von Unternehmen geschaffen werden können.
Was die Baustoffindustrie gemeinsam mit den Architekten zur Nachhaltigkeit beitragen kann, legte Bernd Wolschner, stellvertretender Obmann des Fachverbands Steine-Keramik, dar. Für die Industrie stelle sich die Frage, wie sie Baustoffe entwickeln könne, die es den Architekten ermöglichen, nachhaltig zu bauen. Die soziale Nachhaltigkeit, neben der ökologischen und ökonomischen die dritte Säule dieses Prinzips, sei eine der Hauptaufgaben für die Architekturschaffenden, so Wolschner. Auch das ist ein Beitrag zur Baukultur.
Nachhaltig durch Verdichtung
Zum Thema der Nachverdichtung räumte Felipe ein, dass bei der Raumordnung in Tirol noch viel zu tun sei. Dass man durch urbane Nachverdichtung auch nachhaltig agiert, davon zeigte sich Franz Danler überzeugt. Die Innsbrucker Immobiliengesellschaft, deren Geschäftsführer Danler ist, hat sich diesem Themav erschrieben und will durch Sanierung und Verdichtung bis 2018 2.000 geförderte Wohnungen schaffen und dabei "die Menschen mit einbeziehen". Auch das gehöre zur Nachhaltigkeit, so Danler.
"Nachverdichten heißt auch, etwas abzureißen und neu zu bauen", bekräftigte Engelbert Spiß vom gemeinnützigen Wohnbauträger Neue Heimat Tirol. Seit 2012 baue die NHT ausschließlich Passivhäuser, schilderte Spiß die Strategie, mit der die Neue Heimat laut eigener Aussage das Passivhaus zum "State of the Art" in Tirol gemacht habe. Darauf, dass jedoch nicht alle Gebäude als energetisch problematisch anzusehen sind, die nicht dem Passivhausstandard entsprechen, wies der Tiroler Architekt Gerald Gaigg hin. Ein Fünftel aller Tiroler Häuser stammt aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg, diese seien energetisch besser als das Drittel des nach dem 2. Weltkrieg errichteten Bestands, der auch vom sozialen Standpunkt als schlecht zu bewerten sei, so das Mitglied der IG Passivhaus Tirol.
Auch andere Werte
"Nachhaltigkeit gehört dem historischen Erbe!" Für den Tiroler Landeskonservator Walter Hauser kommt energieeffiziente Sanierung in der Regel einer "Architekturzerstörung"gleich, denn aus seiner Sicht haben 80 Prozent aller Objekte baukulturellen Erhaltungswert. Diese müssten in einer Balance zwischen energetischen und kulturellen Aspekten betrachtet werden, denn, so Denkmalschützer Hauser: "Unsere Gesellschaft hat auch andere Werte als das Eingepacktwerden!" In dieselbe Kerbe schlug Architekt Gaigg: "Nicht ein Einzelgebäude ist Baukultur, sondern die Gebäude im Kontext machen Baukultur aus!"