354 Interior Design

Wie die Welt noch zu retten ist

© Tarkett
© Tarkett

Wiederverwenden statt wegwerfen: Den Klimawandel einzubremsen heißt in Kreisläufen zu denken. Diese Botschaft ist auch in Architektur und Möbelindustrie angekommen und trägt erste Blüten.

von: Barbara Jahn

Upcyceln, downcyceln, recyceln – der Kopf dreht sich und mit ihm die Gedanken jedes Einzelnen, wie er wo und was besser machen könnte. Nachhaltigkeit prägt das Gewissen des 21. Jahrhunderts, ein ehemaliges Werbemascherl für Unternehmen, das längst zur ernsthaft betriebenen Notwendigkeit geworden ist. Wer Teil der globalen Rettungsmannschaft sein will, hat sogar mehrere Möglichkeiten, sich einzubringen: Zum einen das wiederzuverwerten, was andere wegwerfen. Zum anderen eigene Produkte wieder in den Kreislauf einfließen zu lassen, um so Ressourcen zu sparen.

Von Wiege zu Wiege
Mittlerweile schon sehr bekannt ist das unabhängige und vor allem auch international anerkannte Cradle-to-Cradle-Prinzip, dem sich – mit großer Anstrengung, finanziellem Aufwand und persönlichem Einsatz wohlgemerkt – immer mehr Produzenten in der Einrichtungsbranche anschließen.
Cradle-to-Cradle beurteilt die Kriterien Materialien, Materialkreislaufführung, erneuerbare Energie und Carbon Management sowie Social Fairness. Einer der Pioniere, die dieses Konzept aufgegriffen haben, ist die Schweizer Holzbodenmanufaktur Bauwerk, die sich schon Anfang der 10er-Jahre mit diesem Konzept auseinandergesetzt hat. Seit 2016 erfüllen alle am Produktionsstandort St. Margrethen hergestellten Parkette die Anforderungen für die „Cradle to Cradle Certified™“ Gold oder Bronze. Die Parkettriemen werden im Werk zurückgenommen, dort von den Mattenresten befreit, wobei die Reste an den Hersteller zum Recyceln zurückgegeben werden, dann aufgearbeitet, mit einem neuen Oberflächenschutz versehen und zum Wiederverkauf bereitgestellt. Das ist eine Antwort auf den Ruf nach Nachhaltigkeit und ökologischem Bewusstsein und der Wegwerfgesellschaft ein Stück weit entgegenzutreten.

Am Boden der Realität
Auch der Teppichbodenhersteller Tarkett hat sich schon längst von alten Strickmustern verabschiedet. Das Unternehmen, das seine Energie für die Produktion aus 100 Prozent erneuerbarer Energie gewinnt, verwendet unter anderem SIM-Karten für Mobiltelefone, aus Trinkwasser gewonnenen Kalk, PVB-Folien aus alten Auto-Windschutzscheiben und sogar weggeworfene Fischernetze – kurz: Das, was anderswo entsorgt wird, findet hier Verwendung für hochqualitative Produkte. Denn Recycling von Abfällen zu wertvollen neuen Materialien hat einen geringeren CO2-Ausstoß als energie­intensive Verfahren zur Gewinnung und Umwandlung von neu hergestellten Inhalts­stoffen. Das Rücknahme- und Recyclingprogramm von Tarkett für Bodenbeläge holt Verschnitt von Linoleum und Vinyl sowie gebrauchte Teppichfliesen zum Recycling ab. Die Wiederverwertung von Vinyl- und Linoleumresten, aus der Produktion und aus dem Verschnitt bei der Verlegung, ist bereits relativ einfach möglich, handelt es sich dabei doch um reine Materialreste, die sich problemlos zurück in den Produktionsprozess bringen lassen. Die Strategie ist, eine „echte“ Kreislaufwirtschaft zu fördern. „All das mag nach einer seltsamen Abfallsammlung klingen, aber diese Gegenstände enthalten tatsächlich wertvolle Inhaltsstoffe, die wieder verwendet werden können. Aus diesem Grund arbeiten wir bei Tarkett mit Partnern zusammen, die ebenfalls in innovativen Lösungen denken. Um wertvolle Materialien aus gebrauchten Produkten zu gewinnen, die wir in unsere Lieferkette zurückbringen können“, heißt es aus dem Unternehmen. Bis 2030 will Tarkett 30 Prozent der neu eingekauften Rohstoffe durch Recyclingmaterial ersetzen.

Und es geht noch mehr
Aber nicht nur der Boden, sondern auch vieles, was darauf steht, darf sich Mitglied der Cradle-to-Cradle-Familie nennen. So etwa auch die Bürostehleuchte Lavigo von Waldmann, die bereits das Bronze-Level im Gesamtzertifikat erreicht hat. Um die Anforderungen zu erfüllen, wurden alle verwendeten Materialien identifiziert und hinsichtlich ihrer toxikologischen und recyclingfähigen Eigenschaften bewertet und teilweise optimiert. Darüber hinaus waren für die Zertifizierung Nachweise über die Energiebilanz, die erforderliche Wassermenge und -qualität sowie die Einhaltung sozialer Kriterien Voraussetzungen.
Zwar nicht Cradle-to-Cradle-zertifiziert, jedoch sehr ambitioniert ist das Projekt des Sessels Adell von Arper, der sich weich wie Moos und rund wie ein Kiesel präsentiert und damit auch seine Naturverbundenheit, die sich auch in den „inneren Werten“ wider­spiegelt: Mit seinem Bezugsstoff aus 80 Prozent recyceltem Polypropylen ausgestattet, der seinerseits natürlich auch wieder recycelt werden kann, setzt Adell ganz auf Nachhaltigkeit. Die Sitzschale aus wiederaufbereitetem Polypropylen ist ein weiterer Beitrag, der aus Adell ein nachhaltiges Produkt mit langer Lebensdauer macht, das dabei hilft, den Ressourcenverbrauch zu minimieren.

Der Artikel als PDF