362 Naturstein

Ein Baustoff mit hohem Stellenwert

© Wehdorn Architekten ZT GmbH
Das Äußere Burgtor in Wien wurde 1821 bis 1824 aus einheimischem Leithakalkstein aus Kaisersteinbruch und Wöllersdorf sowie aus Kalksandstein aus St. Margarethen errichtet. Bei einem Umbau 1933 wurde Mannersdorfer Kalkstein verwendet. 2021/22 erfolgte die Generalsanierung im Auftrag der Burghauptmannschaft Österreich nach Plänen der Wehdorn Architekten ZT GmbH.
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So aufwendig und hochwertig es auch gebaut sein mag – irgendwann kommt jedes Gebäude in die Jahre. Um das Bauwerk für kommende Generationen zu bewahren, erfordert die historische Bausubstanz Fingerspitzen­gefühl und Weitblick. Interview mit Architekt Univ.-Prof. Manfred Wehdorn, Wien.

So aufwendig und hochwertig es auch gebaut sein mag – irgendwann kommt jedes Gebäude in die Jahre. Um das Bauwerk für kommende Generationen zu bewahren, erfordert die historische Bausubstanz Fingerspitzen­gefühl und Weitblick. Interview mit Architekt Univ.-Prof. Manfred Wehdorn, Wien.

Herr Professor Wehdorn, welchen Stellen­wert hat Naturstein aktuell im Reigen der Baustoffe?
Manfred Wehdorn: Naturstein hatte, seitdem der Mensch baut, also seit Jahrtausenden, einen hohen Stellenwert als Baustoff. Zunächst war es seine Verfügbarkeit, die den Einsatz der jeweiligen Natursteinart bestimmte, denn man verwendete in historischer Zeit vorrangig den lokalen Baustein – man denke nur an Salzburg und Adneter Marmor. Spätestens seit der Renaissance schätzte man besonders auch seine optischen Qualitäten, nicht nur was Farbe und Oberflächenbearbeitung betraf, sondern auch als Ausdruck von Reichtum und Macht.
Mit der Frage der Nachhaltigkeit, die seit dem sogenannten Brundtland-Report, 1987, auf dem Drei-Säulen-Modell Ökologie, Wirtschaftlichkeit und soziale Kompetenz aufbaut, bekam der historische Baustoff Naturstein eine neue, zusätzliche Bedeutung. Der Begriff der Nachhaltigkeit ist im gegebenen Zusammenhang zu erläutern: Per se ist der ökologische Fußabdruck von Naturstein sehr klein, entscheidend sind die Transportwege. Die Forderung nach heimischem Naturstein wird dadurch unterstrichen. Um Ihre Frage zusammenfassend zu beantworten: Der aktuelle Stellenwert von Naturstein war und ist sehr hoch.

Welche Eigenschaften verbinden Sie persönlich mit Naturstein?
Wehdorn: Im Staccato: Qualität – Langlebigkeit – Natürlichkeit – Farbenspiel – Schönheit.

Was gilt es bei Naturstein im denkmal­geschützten Kontext zu beachten?
Wehdorn: Im Bereich der Restaurierung ist ein immer wiederkehrendes Problem, den adäquaten Stein für Ausbesserungen und Ergänzungen zu finden. Viele der historischen Steinbrüche sind geschlossen, man kann also auf den „originalen“ Stein nicht zugreifen. Dann beginnt eine mühsame Suche nach gleichartigem Material, wozu sich im Außenbereich die Frage nach der Witterungsbeständigkeit erhebt. Im denkmal­-
pflegerischen Bereich wird verständlicherweise auch immer wieder altes Steinmaterial gesucht, nicht zuletzt, um den Alterswert eines Objekts zu erhalten. Bezeichnenderweise sind Bodenplatten, egal ob alte Granitplatten für den Außenbereich oder die berühmten „Solnhoferplatten“ für den Innenbereich bereits fixer Bestandteil des Antiquitätenhandels.

Wie prägt Naturstein einen Raum?
Wehdorn: Der Architekt kann mit Naturstein, nicht zuletzt mit dessen Oberflächenbearbeitung, einen Raum vielfach und verschiedenartig prägen. Die Skala der Möglichkeiten reicht von rustikal bis repräsentativ.

Wie treffen Sie bei der Gestaltung ­eines Raums oder eines Bauwerks die Materialauswahl?
Wehdorn: Die eben beantwortete Frage impliziert die Antwort auch für diese Frage: nämlich nach seiner Nutzung. Generell sind es Herkunft, technische Kennwerte, Verfügbarkeit, fachgerechte Verarbeitung und selbst­-
verständlich auch der Preis, welche die Auswahl bestimmen. Im Bereich privater Bauführungen ist es mein Credo, dass der Architekt den Bauherrn/die Baufrau nur beraten, sozusagen nur die Hand führen kann. Die Wahl der Steinart ist in diesem Sinn auch Ausdruck der Persönlichkeit eines Auftraggebers.

Wie wichtig ist Ihnen der persönliche Augenschein eines Werkstoffs im Rohzustand?
Wehdorn: Nicht allzu wichtig. Ich vertraue hier dem Fachhandel, dem Steinmetz, dem Steinrestaurator – auch weil ich weiß, wie sehr die Oberflächenbehandlung den optischen Eindruck eines Steins verändern kann. Im Falle eines privaten Auftraggebers ist dies eventuell anders zu sehen, weil er bzw. sie einen ganz anderen Zugang zum Material Stein bekommt, zu seinem nach wie vor mühsamen Abbruch und seinen Verarbeitungsmöglichkeiten. Dadurch kann – was auch wichtig ist  ein emotionaler Zugang zum Material Naturstein entstehen.

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