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© CC 4.0 / ProtoplasmaKid
Das Fassadenmaterial prosolve370e enthält Titandioxid, das wirksam Giftstoffe aus der Luft filtert.
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Gebäude-Aikidō – intelligente Fassadensysteme

Intelligente Fassaden haben eines mit asiatischer Kampfkunst gemeinsam: ihre Philosophie. Einwirkende Kräfte werden nicht einfach nur abgeblockt, sondern aufgenommen oder umgeleitet und so eingesetzt, dass sie ein gewünschtes, kontrolliertes und effizientes Ergebnis erzielen.

von: Nada Andjelic

Den Ausgleich zwischen Witterungsverhältnissen und unseren eigenen Temperaturbedürfnissen zu schaffen ist eine der Hauptaufgaben von Gebäudefassaden. Dazu gehört die Regulation von Licht, Tempe­ratur, Feuchtigkeit, Wind, Schall u.v.m. Die konventionelle Herangehensweise ist, die externen Einflüsse so gut wie möglich durch Fassaden zu dämpfen und das gewünschte Innenraumklima mithilfe von Gebäudetechnik zu erreichen. Intelligente Fassadensysteme übernehmen einen Teil der Gebäudetechnik und sorgen für mehr Effizienz, Nachhaltigkeit und Kostenreduzierung.

Smartes Glas

Eine solche Resonanz kann beispielsweise über die Verglasung erfolgen. Ein Beispiel dafür ist elektrochromes Glas. Durch die Änderung der auf die Glasscheibe aus­ geübten Spannung kann die Glastönung gesteuert werden, wodurch sich die Lichtintensität und die durchgelassenen ultravioletten und infraroten Strahlen durch diese Materialien verändern. Die dynamische Färbung wird von einem intelligenten Kontrollsystem gesteuert, das mithilfe von Sensoren die Tönung automatisch an die Lichtverhältnisse anpasst.

Ein weiteres innovatives Produkt ist die integrierte, unsichtbare Heizungslösung, die sowohl für visuelle als auch thermische Kontrolle sorgt. 1986 wurde E-­Glas in Finnland entwickelt und ist so konzipiert, dass es Wärme aus dem Glas liefert. Elektrischer Strom und eine Schicht aus Metalloxiden, die auf einer Oberfläche des Glases aufgebracht werden, tragen je nach Art der Anwendung und der Glasstruktur zur Erwärmung des Raums bei und verhindern gleichzeitig Konden­sation und sogar Schneeschmelze.

Auch selbstreinigendes Glas ist heute bereits Realität. Während des Herstellungsprozesses wird eine transparente Beschichtung aus hydrophilen (wasserliebend; starke Wechselwirkung mit Wasser) und photokatalytischen (durch Licht ausgelöste chemische Reaktion) Mineralien auf die Oberfläche aufgebracht. Die UV­-Strahlung löst die Zersetzung von organischem Schmutz aus, das Wasser bildet eine Schicht über dem hydrophilen Glas und spült organischen Schmutz und mineralische Stoffe einfach ab.

Smarte Gebäudehüllen

Vor einigen Jahren schufen Architekten des Institute for Advanced Architecture of Catalonia (IAAC) „Translated Geometries“, ein reaktionsfähiges Modell, das aus einem Dreiecksmosaik besteht und Polymere mit Formgedächtnis verwendet, die es dem Material ermöglichen, durch externe und kontrollierte Stimuli die Phase zu wechseln und so bei Hitzeeinwirkung einen weichen und flexiblen Zustand zu erreichen. Das System basiert auf einem innovativen Ansatz für die thermischen Prinzipien von Trombe­-Wänden (Kombination aus einer Kollektor­ und Speicherwand zur passiven Nutzung der Sonnenenergie) und ist aber etwa fünfmal leichter, um strukturelle Überlastungen in Gebäuden zu vermeiden.

Die Fassade des von Splitterwerk Architekten und Arup entwickelten Projekts besteht aus Mikroalgen, die in gläsernen Fassadenelementen kultiviert werden und Wärme für den Gebäudebetrieb sowie Biomasse für die Lebensmittel­ und Pharmaindustrie erzeugen. Begünstigt durch direktes Sonnenlicht erwärmen die kleinen Zellen, die schnell wachsen, das Wasser, und diese Wärme wird vom System aufgefangen und zur Nutzung im Gebäude gespeichert. Die Fassade kann durch das kontinuierliche Wachstum der Algen auch ihre Farbe ändern und wird so dynamisch.

Das „prosolve370e“, von Allison Dring und Daniel Schwaab in Berlin entwickelt, ist ein imposantes architektonisches Modul, das die Luftverschmutzung in Städten reduzieren kann. Das Material enthält Titandioxid, das die Luft wirksam von Giftstoffen filtert, indem es schwammartige freie Radikale freisetzt, die die Schad­stoffe beseitigen. Die Fliesen absorbieren und neutralisieren die Luftschadstoffe.

Altbewährtes neu aufgelegt

Stahl ist vor allem im modernen Gewerbe­ und Industriebau aus dem Bauwesen nicht mehr wegzudenken. Bauen wird aber nicht mehr nur durch Funktion bestimmt, sondern eben auch durch Nachhaltigkeit. Stahlbauelemente sind umwelt­- und sozialverträglich und haben eine maximale Nutzungsdauer. Nicht zuletzt sind Stahlkonstruktionen leicht demontierbar und bis zu 100 Prozent recycelbar. Durch spezielle Beschichtungen, wie Nano­-Keramik etwa, werden diese Gebäudehüllen sogar selbst­reinigend.

Auch das vielfältig einsetzbare Siding Plus bietet durch seinen sauberen Rückbau und damit eine sortenreine Trennung u. a. ökologische Vorteile. Das baukastenähnliche System bietet ein gesundes Innenraumklima, große Wartungsintervalle und niedrige U­-Werte, die dabei helfen, den CO2­-Ausstoß und den Energieverbrauch zu senken. Das ebenso langlebige und stabile, aber dafür umso leichtere Pendant ist Aluminium. Es ist genauso wie Stahl korrosionsbeständig und recycelbar, ist im Vergleich jedoch kostengünstiger und thermisch effizienter.

Grüne Fassaden

Eine weitere Methode in der intelligenten Fassadenkonstruktion ist die Begrünung der Gebäudehülle. Sie schont die Fassade darunter vor Wettereinflüssen und Sonnen­einstrahlung, filtert Staub, verbessert die Luftqualität, schützt vor Hitze und sorgt für Dämmung. Zu unterscheiden ist zwischen boden-­ und wandgebundener Begrünung. Während bei Ersterer die Pflanzen unmittelbar vor dem Gebäude die Fassade entlang wachsen können, wachsen bei der wandgebundenen Methode die Pflanzen aus Gefäßen, die in der Fassade eingelassen sind. Nachteile sind die durch das Gewicht der bewässerten Pflanzen erhöhte Wandlast sowie die Wartungsarbeit an sich, da die Pflanzen nicht nur be­-, sondern auch entwässert werden müssen. Hinzu kommt, dass die Begrünung eine riss-­ und fugenfreie Putzfläche braucht und damit viele Außenwände ausscheiden. Als besonders effektiv haben sich hier Metallfassaden bewährt.

Lesen Sie den ungekürzten Artikel ab Seite 14 der aktuellen Ausgabe 369-4/2023 oder am Austria Kiosk!