368 Bauwelt
© CORWIN, Willbe Studio
Der nachhaltige Gebäudekomplex Vilharia in Ljubljana, Sloweniens grünstes Bürogebäude, wurde bei der European Climate Night des VZI vorgestellt.
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Klimawandel fordert Umdenken

Die Bau- und Wohnungswirtschaft wird derzeit zwecks Klimafitness herausgefordert. Politisch gewollte Klimaziele münden noch nicht in Aktionen.

von: Peter Matzanetz

Städte haben dringenden Handlungsbedarf infolge des Klimawandels. Bei Veranstaltungen wie dem Cities Climate Action Summit in London oder beim Urban Future Forum in Stuttgart geht es um Dekarbonisierung, Resilienz und die lebenswerten Städte von morgen. Entscheider aus Politik und Verwaltung werden bei diesen Anlässen auch als Citychanger begrüßt.

Die Nachhaltigkeitsforscherin Ines Obmann wird beim Urban Future Forum über Erfahrungen als Beraterin des Klimaschutzministeriums im Zusammenhang mit dem österreichischen Klimarat berichten. Im Gespräch mit dem Klimabündnis der Gemeinden im Vorfeld betont sie die Dringlichkeit: „Wir können davon ausgehen, dass ein weiteres Aufschieben der Kurskorrektur nicht nur zunehmend teurer kommt, sondern für viele schwerwiegende Folgen hat.“ Sie deutet an, dass es eine bedenkliche Kluft gibt zwischen Verursachern und jenen, die die Folgen des immer unausweichlicher werdenden Klimawandels zu tragen haben werden

Metaplattformen für CO2-Bilanzen

Klimaportale für Städte mit Emissionsbilanzen könnten in Zukunft fürs Rechnen der Klimabilanz herangezogen werden. Zumindest bereitet man in der Stadt Graz Derartiges bereits vor. Auf der Innovationsplattform der öffentlichen Beschaffung (IÖB) war dazu eine transnationale Challenge ausgeschrieben. Wenn man sich die Gewinner derselben ansieht, finden sich durchwegs Vorschläge für Metaplattformen, welche das Monitoring und Strategiefindung für Klimaemissionen aller Art versprechen. Daten sollen es richten, auch wenn man von außen nicht nachvollziehen kann, wo die so herkommen und wie genau die Einordnung am Ende passieren wird.

Transparenz bei den CO2-Emmitenten dürfte in Zukunft aber eine verordenbare Größe sein und an der Messung oder Abschätzung von relevanten Faktoren wird anscheinend auch kein Weg vorbeiführen. Beim Gebäude gibt es diese Daten aktuell noch in den wenigsten Fällen. Eher früher als später könnte aber die Umsetzung von Energie- und Klimazielen auf Druck von EU-Seite auch hier durchschlagen.

European Climate Night

Ein Zeichen in jene Richtung zu setzen und die nötige „Awareness“ schaffen will jetzt der Verband der österreichischen Ziviltechniker- und Ingenieurbetriebe (VZI) und zwar mit der European Climate Night. Dabei wird offen diskutiert, welche politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf Auftraggeberseite und auch bei den planenden und ausführenden Unternehmen für eine nachhaltige Planung von Bauprojekten erforderlich sind.

Der Hebel in Bezug auf Themen wie Energieeffizienz und Umweltschutz sei insbesondere beim Planungsbeginn enorm. „Ziviltechniker und Architekten nehmen in der Begegnung des Klimawandels eine zentrale Bedeutung ein“, heißt es dazu in einer Stellungnahme des VZI. „Mit der European Climate Night wollen wir Raum für Inspiration und für die Entwicklung konkreter Ideen auf hochkarätigem Niveau bieten“, sagt Wolfgang Kradischnig, Sprecher des VZI und Geschäftsführer der Delta Holding sowie der Delta Podsedensek Architekten.

Bürde und Chance zugleich

Die aktuellen Entwicklungen seien eine Bürde für die Branche, wären aber auch eine Chance. Besonders auf der Auftraggeberseite sei die Zurückhaltung noch groß. Produktanbieter andererseits seien stark gefordert auf Nachhaltigeres umzustellen, weil die Produktionsweisen da längerfristig aufgestellt sind. In der Planungswelt wiederum stellt die mangelnde Honorierung für die frühphasigen und ganzheitlichen Modellierungen nach wie vor ein Hindernis dar.

Was den politischen Rahmen betrifft, da würde es an den passenden Regularien mangeln. Auch bei der anstehenden Bauordnungsnovelle in Wien wäre kein „großer Wurf“ zu erwarten. „Was es mehr als alles braucht, ist eine ganzheitliche Sicht auf die Dinge, und zwar im Gegensatz zur kostenmäßigen Optimierung im Zuge der Errichtung“, stellt Kradischnig klar. Er nennt als Negativbeispiel das geförderte Verbauen fossiler Verbunddämmstoffe, die aber nicht kreislauffähig sind. Die Wirtschaftsprüfung vom Projekt dürfe auch nicht einfach aufs Ende der Finanzierung abgestellt sein. Da bliebe der vorhandene Restwert von Gebäuden mit den nachhaltigen Produkten einfach unberücksichtigt.

Neue Methoden für alte Themen

Gebäudebezogene Technologien geraten immer mehr in den Blickpunkt, wobei das Einsparungspotenzial beim Energiethema noch vielfach ungenutzt bleibt. Zertifizierungen sind mit dem Klimathema plötzlich nachgefragt und Kalkulationen mit CO2-Werten sind hier mittlerweile integriert. Bislang bleibt das aber eine zweidimensionale Sache, gemacht von Auditoren für Marketingleute.

„Ich sehe darin keine bautechnische Herausforderung“, meint Harald Schuchnigg, Projektleiter und Gesellschafter beim Ziviltechnikbüro Axis. Er sieht die Kontrollfunktion eines Gebäudezertifikats als zu schwaches Motiv. Der hohe Planungsstandard hierzulande oder woanders sichere das Niveau letztlich und die Zertifizierung wäre lediglich eine Art Nachweis für Laien. Auf Wunsch von Bauherren werden Zertifizierungen für große wie kleine Bauten bei Axis trotzdem angestrebt und auch erreicht, zum Beispiel beim Parlamentsumbau.

Nachhaltig im Sinne der Nutzung

Auch wenn man noch so genau hinsieht, der Goldstatus vom nächsten nachhaltigen Gebäude mit wasserlosem Urinal scheint die Menschheit nicht wirklich weiterzubringen. „Nur weil dort ein Häkchen gemacht wird, heißt das noch lange nicht, dass das auch nachhaltig im Sinne der Nutzung ist“, meint Schuchnigg.

Auf internationaler Ebene kommen derzeit alternative, vielversprechende digitale Monitoring- beziehungsweise Steuerungssysteme für Gebäude ins Spiel. Sie heißen zum Beispiel Bimerr, ­Measurabl, AmpeersEnergy, Alasco, OneclickLCA oder BlueAuditor, und was sie versprechen, ist die Energie- und CO2-Bilanz fürs Bauen wie für den Betrieb, und zwar als Standard und nicht als Auszeichnungsmerkmal. Simulationen und erfasste Datenströme sollen damit für klare Verhältnisse bei Planungsentscheidungen sorgen und gleichzeitig für einen Betrieb mit minimierten Verbräuchen.

Handlungsbedarf

Die Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE), jene der Industriellen Bauunternehmen (VIBÖ), die Organisation Facility Managament Austria (FMA) sowie drei weitere Verbände orten bei den Behörden aktuell Handlungsbedarf in Sachen Klimaschutz. Sie beklagen mit fortschreitender Dringlichkeit Säumigkeit bei den Verwaltungen und Planungshoheiten im Land. Daher wurde ein Sechspunkteplan mit Mindestanforderungen für mehr Nachhaltigkeit und Digitalisierung aufgestellt. Von einer verpflichtenden Lebenszykluskostenberechnung bis zur digitalen Baueinreichung gehen die Forderungen. „Es fehlen klare Rahmenbedingungen für umfassende Bestandssanierungen, die über den Ausstieg aus fossilen Heizsystemen hinausgehen“, sagt Michael Pauser, Geschäftsführer der Österreichischen Bautechnik Vereinigung (ÖBV). Die richtungsweisende OIB-Richtlinie 7 zu den Nachhaltigkeitsthemen lässt derzeit auf sich warten.

Den Verbänden rund ums Bauen und Sanieren dürfte die Unklarheit mit den Folgen von Investitionsunsicherheit zu schaffen zu machen. Als Petition wurden die erdachten Vorschläge offiziell an die Stadt Wien übergeben. Auf Städte und ihre Verwaltungen wird bei der Umsetzung von politisch angekündigten Klimaschutzzielen noch mehr zukommen. Sie wachsen bevölkerungsmäßig weiter und die Menschen hier sind von den Folgen des Klimawandels stärker betroffen als anderswo. Außerdem fällt hier der größte Teil an ursächlichen Emissionen an. Für langatmige Prozesse ohne gezielte Wirkungsweisen scheint die allgemeine Toleranz langsam zu schwinden.

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