342 Thema
Ansicht

MCI und kein Ende

Was im Zusammenhang mit dem MCI in Innsbruck passiert, ist auf den ersten Blick undurchschaubar. Ein großes Bauprojekt für eine international renommierte Management­-Hochschule, nahe der Altstadt, löst zahlreiche Debatten aus und beschäftigt Bauherren, Auftraggeber und Architekten.

von: Susanne Karr

Letztes Jahr sollte es losgehen mit dem Neubau des Management Center Innsbruck, einer privaten Hochschule mit Lehrgängen in den Bereichen Wirtschaft und Gesellschaft, Technologie und Life Sciences. Die Pläne des aus dem Wettbewerb als Sieger hervorgegangenen Architekturbüros Loudon, Habeler und Kirchweger sahen einen rundansichtigen Solitärbau vor, in einem begrünten Feld aus Hofgarten, Bundesgärtenareal und Sportplatz. Vor Baubeginn kam es jedoch nach Verzögerungen, Vorwürfen und unverständlichen Kostendebatten zu einem Planungsstopp. In der Presse wurde von einer „Kostenexplosion“ gesprochen, genaue Auflistungen dieser Rechnungen gab es aber nicht. Mittlerweile soll neu ausgeschrieben werden.

Die Aufgabe
Aber von Anfang an. Das MCI (Management Center Innsbruck) zieht zahlreiche internationale Studenten in die Stadt. Mittlerweile sind ca. 3400 Studenten in Ausbildung, sodass einige Abteilungen ausgelagert sind. Um konkurrenzfähig zu bleiben, sucht das MCI nach einem adäquaten Bauplatz und repräsentativer Architektur. Für den Neubau ist ein Areal nördlich der sozialwissenschaftlichen Fakultät (SoWi) der Uni Innsbruck vorgesehen. Der Bau von Henke Schreieck Architekten bietet ein gutes Beispiel und gute Nachbarschaft. Henke Schreieck erstellten auch im Jahr 2008 eine Machbarkeitsstudie. Der vorgesehene Raum, das „Fenner-Areal“, umfasst knapp 17.000 Quadratmeter, gehört teilweise der Stadt Innsbruck, teilweise dem Bund und wird derzeit noch als Busparkplatz und Fußballplatz genutzt. Außerdem befindet sich ein Park der Bundesgärten dort.

Der Wettbewerb
Der EU-weite zweistufige Wettbewerb wurde 2016 in einer Zusammenarbeit der zuständigen Länder-
Architektenkammer und dem Landeshochbau Tirol durchgeführt, 88 Architekturbüros nahmen teil. Das Projekt der Architekten Loudon, Habeler & Kirchweger aus Wien hatte den Wettbewerb gewonnen. Der Jurybeschluss erfolgte einstimmig.

Beteiligt an der Auswahl der international besetzten Wettbewerbsjury waren das Land Tirol als Bauherr, MCI, Tourismus- und Sportamt als Nutzer, Fachpreisrichter und internationale Architekten mit Referenzen für entsprechende Bauten wie Hochschulen sowie Stadtplanung und Politik der Stadt Innsbruck. Die Vorgangsweise richtete sich nach dem üblichen Procedere, einen Kostenrahmen zu nennen. Die Wettbewerbsjury und die zur Vorprüfung Berufenen müssen grundsätzlich die Umsetzbarkeit, d. h. die Angemessenheit in Bezug auf die zur Verfügung stehenden Mittel, und die besondere Aufgabe berücksichtigen. Dies können sie nur auf der Basis einer sehr groben Einschätzung, die Spielraum zulassen müsste. Eine hundertprozentige Kalkulation ist daher zu diesem Zeitpunkt nicht möglich.

Kostenschätzung
Der Auslober versucht grundsätzlich, die Kosten überschaubar zu halten. Andererseits sollen, bereits im Vorhinein, in der Phase der Wettbewerbsvorbereitung, also noch ohne konkretes Projekt, kostenrelevante Parameter festgelegt werden. Die Bundesimmobiliengesellschaft BIG verlangt in letzter Zeit auch eine Garantie vom Wettbewerbsteilnehmer für die Einhaltung eines bestimmten Kostenrahmens ohne Schwankungsbreite. Damit wird das Kostenrisiko, das besonders bei komplexen Bauaufgaben immer vorhanden ist, vom Bauherrn vollständig auf die Seite der Planer gerückt. Denn im Rahmen der Bearbeitungstiefe eines Wettbewerbsbeitrags – ohne Beteiligung von Konsulenten für Statik, Haus- und Elektrotechnik, Brandschutz etc. – kann der Planer diese Verantwortung nicht ohne Weiteres übernehmen.

Kostenrahmen werden nach Kennwerten erstellt, was im relativ standardisierten Wohnbau recht präzise funktionieren kann. Auch bei Aufgaben, die auf viele Standards rekurrieren können, wie etwa Kindergärten. Bei einem Hybridprojekt wie dem MCI, das Hochschule, Busterminal und Fußballplatz integriert und in einem städtebaulich komplexen Zusammenhang steht, gibt es wenige Referenzbeispiele.

Unstimmigkeiten
Aber zurück zum MCI. Inzwischen häufen sich die Fragen, die den gesamten Ablauf von Planung bis Wettbewerb und Verfahrensstopp betreffen. Gab es einen Verfahrensfehler? Wie kam es dazu, dass ein eindeutig ermitteltes Siegerprojekt plötzlich als unpassend erachtet wurde? Kann man sich auf eine internationale, renommierte Jury nicht verlassen? Was heißt das für das Wettbewerbswesen und die beteiligten Architekturbüros? Und wie wirken sich solche Prozesse für den Ruf einer Stadt aus, die bisher Baukultur hochgehalten und innovative und nahhaltige Projekte gefördert hat?

Man ist in der Kalkulation für dieses Vorhaben von Anfang an von grenzwertigen Kennwerten des Auftraggebers ausgegangen und hat realistisch erwartbare Preissteigerungen außer Acht gelassen. Die anhaltend starke Baukonjunktur und daraus folgende Preissteigerungen konnten möglicherweise nicht vorhergesehen werden. Wolfgang Andexlinger, Leiter des Amtes für Stadtplanung, Stadtentwicklung und Integration der Stadt Innsbruck, formuliert diese verschiedenen Punkte in einem offenen Brief vom 12. Dezember 2018 wie folgt: „Zu gering angesetzte Umrechnungsfaktoren zwischen Brutto- und Nettoflächen, eine zum dama­ligen Zeitpunkt nicht zu erwartende boomende Baukonjunktur und fehlende Indexanpassungen sind unter anderem Faktoren, die zu einer Kostensteigerung führten und hier genannt gehören.“ Man kann also weder dem Wettbewerbsverfahren noch der Jury mangelnde Sorgfalt in der Abwicklung vorhalten.

Unterschiedliche Zahlen
Das Argumentieren mit nicht aufgeschlüsselten Kosten führt dazu, Unmut zu schüren. Die in der Presse unterschiedlichen angegebenen Summen ergeben sich aus unterschiedlichen Posten, die entweder mit einberechnet oder eben weggelassen werden. Sie sollen bis zu 132 Millionen Euro hoch sein, aber es gibt keine nachvollziehbare Auflistung dieser Posten, auf deren Grundlage sachlich argumentiert werden könnte. Einer­seits werden Zahlen ins Spiel gebracht, die sich rein auf die Bauwerkskosten beziehen; andererseits Summen, die Gesamterschließung, Außenanlagen und Nebenleistungen beinhalten. Übliche Schwankungsbreiten werden einmal genannt, dann wieder nicht. Kurz gesagt, es ist ohne Vorlage einer genauen, schriftlichen Kalkulation schlicht nicht zu beurteilen, was sich finanziell abspielt.

Unterschiedliche Wahrnehmungen
In der Öffentlichkeit kursiert mittlerweile das mediengängige Bild von rahmensprengenden Bauprojekten. Laut dieser Interpretation geben die Planer zuerst falsche, bewusst niedrig gehaltene Kosten an, um den Zuschlag für das Projekt zu erhalten, und im Zuge der Realisierung werden die Kosten dann ständig erhöht. Beliebtes Beispiel für solche Eklats ist etwa die Elbphilharmonie Hamburg. Nur, der Vergleich hinkt, und zwar an mehreren Punkten. Erstens: Beim MCI wurde der Kostenrahmen seitens des Auslobers von vornherein zu niedrig berechnet, nämlich auf Basis eines nachweislich falschen Nutzfläche-­Bruttogrundfläche-Faktors. Zweitens: Die Architekten Loudon, Habeler & Kirchweger, die den Wettbewerb gewonnen hatten, haben von Anfang an auf diesen Umstand der Diskrepanz zwischen Aufgabenstellung und Kostenrahmen hinge­wiesen. Ein Vertrag über eine gegenüber dem Wettbewerbsprojekt reduzierte Baumasse mit einem Kostenrahmen, der auf einer Hochrechnung der Architekten basiert, wurde abgeschlossen. Mit dem im Juni 2018 fertiggestellten Vorentwurfsprojekt wurden die gesetzten Ziele umgesetzt, trotzdem wurde den Planern vom Auftraggeber mit einer nicht nachvollzieh­baren, weil nicht belegten, Gegendarstellung das Vertrauen ent­zogen, und es wurde das Projekt seitens der Landes­regierung Tirol als nicht finanzierbar beurteilt und gestoppt. Die Architekten erhielten im August 2018 seitens der Juristen der Auftraggeber den Bescheid, dass es keine Option für weitere Planungsleistungen gäbe. Eine öffentliche Argumentation gibt es dazu nicht. Inzwischen ist die Neuausschreibung be­schlos­sene Sache und es wird überlegt, ein General­über­nehmerverfahren auszuloben. Ein solches Verfahren legt das Hauptaugenmerk auf die finanzielle Seite des Projekts.

Petition für fairen Umgang
Um dem schiefen Licht entgegenzutreten, in das die Architekten durch die unklare Berichterstattung geraten, veröffentlichten die Bundes- und Länderkammer der Ziviltechniker, das aut. architektur und tirol, die Zentralvereinigung der Architekten Tirol sowie die Architektur­fakultät der Universität Innsbruck einen offenen Brief mit einem „Plädoyer für die Leistungen und die Integrität der Architektenschaft“. Außerdem gibt es eine „Petition für einen korrekten und fairen Umgang mit Gewinnern von Wettbewerben“, die in mehreren Medien veröffentlicht wurde und von vielen Seiten Unterstützung durch Unterzeichnung erfährt.

Den Artikel als PDF können Sie hier herunterladen.