Stahl und Glas – diese beiden Baumaterialien sind (beinahe) alles, was Ludwig Mies van der Rohe brauchte, um die Neue Nationalgalerie in Berlin zu realisieren. Der 1968, knapp vor seinem Tod, eröffnete Pavillon ist das einzige Bauwerk, das der Architekt nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland umsetzte. Funktion und Form waren übrigens nicht ganz stimmig: War der Pavillon doch eigentlich nicht als Kunstgalerie, sondern als Verwaltungsgebäude für Kuba geplant, was den Ausstellungsmachern in Berlin das Leben folglich schwer machte. Trotzdem war zumindest die Fachöffentlichkeit begeistert. Der Architekturhistoriker Fritz Neumeyer schrieb: „In der Nationalgalerie begegnen sich wie in keinem zweiten Bau von Mies klassische Monumentalität und moderne Transparenz. Wie eine Skulptur wird der moderne Stahlpavillon auf den sprichwörtlichen Sockel gestellt und feierlich in die Sichtbarkeit erhoben.“
Heute steht diese Ikone der späten Moderne unter Denkmalschutz. Sie ist zwar zeitlos im besten Wortsinn, die Nagespuren des Zahns der Zeit konnte das Bauwerk nach mehr als 50 Jahren dennoch nicht abwenden. Also begann die Stiftung Preußischer Kulturbesitz 2011 mit der Planung einer Restaurierung. In einem offenen Architekturwettbewerb gewann der Brite David Chipperfield, der bis 2015 das Konzept der Grundinstandsetzung unter dem Leitsatz „So viel Mies wie möglich“ entwickelte. Das Gebäude sollte an einen modernen Museumsstandard herangeführt werden, bei minimalen Eingriffen. Als Berater waren Neumeyer und Dirk Lohan, der Enkel Mies van der Rohes und Bauleiter des Pavillons, an Bord. Die Renovierung begann 2016 und wurde im April 2021 abgeschlossen. Raumprogramm und Nutzungen wurden weiterentwickelt. Im Untergeschoß, das als Gemälde- und Skulpturendepot genutzt worden war, sind nun die Garderoben und ein Buchshop sowie die Toiletten angesiedelt. Als neues Depot wurde ein Neubau unter der Podiumsterrasse errichtet.
Stahlträger und Glastafeln
Stahl und Glas sind die Hauptkomponenten der Nationalgalerie. Auf einer 105 mal 110 Meter großen Granitterrasse sitzt die Stahlkonstruktion, bestehend aus acht kreuzförmigen Stahlstützen, auf denen ein 65 Meter im Quadrat messender Rost aus 1,85 Meter hohen Stahlträgern ruht. In diesen Rahmen sind wiederum Stahlträger im Rasterabstand von 3,60 Metern eingelassen. 16 Millimeter dicke Glastafeln, eingespannt in Profile aus kalt gewalztem Stahl, bildeten damals die hinter die Stützenreihe zurückversetzte Fassade. Die waren nicht nur statisch unterdimensioniert und im Bereich der Glashalteleisten korrodiert, die Verglasung war auch thermisch nicht getrennt, was Kondensat an der Innenseite zur Folge hatte. Modernes Zweischeiben-Isolierglas kam aus denkmalschützerischen Gründen nicht infrage, daher entschied man sich für 24 Millimeter starkes Verbundsicherheitsglas, das so eingebaut wurde, dass es sich bei Temperaturschwankungen frei ausdehnen kann. Das weiterhin anfallende Kondenswasser wird über Rinnen kontrolliert abgeführt. Stahl und Glas sind aber selbstverständlich nicht die ausschließlichen Baustoffe in diesem Gebäude. Neben Sichtbeton, der im Untergeschoß in Form von Stützen, Unterzügen und Deckenuntersicht selbstbewusst auftritt, ist der Gebäudesockel mit Platten aus hellgrauem Niederschlesischem Granit belegt. Für die Verkleidung der Versorgungsschächte nahm Mies grünen Serpentin „Verde Gloria“ von der griechischen Insel Tinos. Wandstücke und Raumteiler aus Brauneichenholz wurden original belassen.