318 Thema

Sensible Standorte

Editorial 1/2015

Gehen, bleiben, abreißen und neu bauen, sanieren - kaum eine Diskussion hat die Öffentlichkeit und auch die Architektenschaft in den letzten Jahren derart in Atem gehalten wie die Debatte rund um das ORF-Zentrum am Wiener Küniglberg. Wobei man als Beobachter den Eindruck gewann, dass der Staatsfunk eigentlich nichts richtig machen konnte - egal welche Ideen aus der Burg in die Öffentlichkeit gelangten, es hagelte Kritik von unterschiedlichen Seiten. Der Mitte der 2000er-Jahre gestartete Versuch, das von Roland Rainer geplante und 1976 eröffnete Haus so zu sanieren, dass es zeitgemäßen arbeitstechnischen (Stichwort Raumtiefen) und bauphysikalischen (Energiekennzahlen!) Anforderungen entspricht, wurde von einigen mit dem Hinweis auf einen "vermuteten" Denkmalschutz des nunmehr zu Rainers Vermächtnis gewordenen Bauwerks verbissen bekämpft.

Dann trat die Wiener Stadtregierung auf den Plan und bedrängte die ORF-Führung, doch den Küniglberg zugunsten des von ihr gepushten neuen Medienstandortes St. Marx aufzugeben. Dieser Vorschlag fand jedoch keine Mehrheit bei den ORF-Stiftungsräten, im Gegenzug reifte der Plan, nicht nur am Küniglberg zu bleiben, sondern ihn auszubauen und alle TV-, Radio- und Online-Standorte des ORF dort zu konzentrieren. Was bei manchen Kulturinteressierten wiederum die Untergangsalarmglocken läuten lässt (Stichwort Funkhaus Argentinierstraße).

Die vom Wiener Büro next pm verfasste komplexe Auslobung für eine Erweiterung des Gebäudebestandes um ein Medienzentrum mit einem multimedialen Newsroom, die im Zuge der Generalsanierung stattfinden soll, gewannen Johannes Kaufmann, Gabriele und Peter Riepl. Das in Wien ansässige Büro Riepl Kaufmann Bammer Architektur setzte sich damit gegen namhafte Mitbewerber wie querkraft, Coop Himmelb(l)au oder Snøhetta durch. Der Siegerentwurf für ein um einen langen zentralen Hof angeordnetes fünfgeschoßiges Gebäude "verzichtet bewusst auf eine Übertonung des Rainer-Baus und gliedert sich gut in das Ensemble ein", wie die Jury befand.

Um die sanfte Eingliederung in ein sensibles Umfeld ging es auch beim Wettbewerb für Erweiterung und Neubau der "Dokumentation Obersalzberg", einem 1999 eröffneten Museum im so genannten "Führersperrgebiet" bei Berchtesgaden. Ein 2005 eröffnetes Luxushotel auf diesem historisch belasteten Gelände floppte, während das Dokumentationszentrum bald aus seinen Nähten platzte. Den von Bayern ausgelobten Wettbewerb gewann das Architekturbüro Aicher aus Vorarlberg als eines von nur zwei österreichischen Beiträgen. Die Jury bescheinigte dem Entwurf, "sehr diskret auf die Geschichte dieses Ortes hinzuweisen und ein eigenes Selbstbewusstsein zu entwickeln".

Nicht minder sensibel war und ist der Umgang der Republik Österreich mit seiner NS-Vergangenheit. Jahrzehnte hat es gebraucht, sich offiziell vom Opfermythos zu verabschieden. 75 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau werden nun Entwürfe für die Neugestaltung der 1978 eröffneten Österreich-Ausstellung in einer der ehemaligen Baracken, die noch von dieser Opferrolle Österreichs beherrscht war, präsentiert. Das architekturjournal wettbewerbe wird demnächst über die Ergebnisse berichten.